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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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davon, wenn du zwanzig oder dreißig armen Christenmenschen den Schädel eingeschlagen hast, hat sich dann die ganze Mühe gelohnt? Wär doch bloß eine Gemeinheit und basta.«
    »Ja, wenn's nur darum ginge, ihnen eins auf die Rübe zu geben. Aber jetzt hör zu, was ich mir vorstelle, ja geradezu vor diesen meinen Augen sehe: Kaum sind diese Kerle in die Stadt eingedrungen, hören sie Posaunen erschallen, und umflackert von zehn Fackeln kommt aus jener Gasse dort ein Mann mit langem weißem Bart und weißem Mantel auf einem weißen Pferd gesprengt und mit einem großen weißen Kreuz in der Hand, und er ruft: Bürger, Bürger, aufgewacht, der Feind ist da! Und daraufhin, noch ehe die Eindringlinge sich zu irgendwas entschlossen haben, erscheinen die Unseren in den Fenstern und auf den Dächern, wie du gesagt hast. Und nachdem sie die Eindringlinge gefasst haben, knien sie nieder und rufen alle miteinander: Das war Sankt Peter, der unsere Stadt beschützt! Und sie treiben die Kaiserlichen in den Tunnel zurück und sagen zu ihnen: Dankt Gott, dass wir euch das Leben schenken, geht und erzählt im Lager eures Barbarossa, dass die Neue Stadt des Papstes Alexander vom Heiligen Petrus höchstpersönlich beschützt wird ...«
    »Und Barbarossa wird so einen Unsinn glauben?«
    »Nein, denn er ist nicht dumm, aber eben weil er nicht dumm ist, wird er so tun, als ob er den Unsinn glaubt, denn ihm liegt mehr als euch daran, mit dieser Belagerung endlich Schluss zu machen.«
    »Nehmen wir an, es ist so. Wer wird dafür sorgen, dass sie den Tunnel entdecken?«
    »Ich.«
    »Und wo findest du den Blödmann, der darauf reinfällt?«
    »Den habe ich schon gefunden, er ist so blöd, dass er bestimmt darauf reinfällt und sich mit so viel Ruhm bekleckert, wie er's verdient, zumal wir uns ja einig sind, dass niemand umgebracht werden soll.«
    Baudolino dachte an den eitlen und aufgeblasenen Grafen Ditpold, und um den dazu zu bringen, etwas zu unternehmen, brauchte man ihm bloß anzudeuten, dass es Baudolino schaden würde. Es genügte also, ihn wissen zu lassen, dass es einen Tunnel gab und dass Baudolino nicht wollte, dass er entdeckt würde. Wie? Ganz einfach, schließlich hatte Ditpold ja Spitzel auf Baudolino angesetzt.
    Nach Einbruch der Dunkelheit, als Baudolino zum Lager zurückkehrte, überquerte er erst eine kleine Lichtung und ging dann in den Wald hinein, aber kaum zwischen den Bäumen angelangt, blieb er stehen und schaute zurück, gerade rechtzeitig, um im Mondlicht eine Gestalt zu sehen, die geduckt über die Lichtung lief. Es war der Mann, den Ditpold auf seine Spur gesetzt hatte. Baudolino wartete im Schutz der Bäume, bis der Mann so nahe herangekommen war, dass er fast in ihn hineingerannt wäre, setzte ihm dann die Schwertspitze auf die Brust und sagte auf Flämisch, während der andere vor Schreck wimmerte: »Dich kenne ich, du bist einer der Brabanter. Was machst du hier außerhalb des Lagers? Sprich, ich bin ein Ministeriale des Kaisers!«
    Der Mann stammelte etwas von einer Frauengeschichte, und es klang sogar halbwegs überzeugend. »Na gut«, sagte Baudolino, »jedenfalls ist es ein Glück, dass du gerade vorbeigekommen bist. Folge mir, ich brauche jemanden, der aufpasst, während ich etwas mache.«
    Für den Mann war es ein Geschenk des Himmels, er war nicht nur unerkannt geblieben, sondern konnte seine Spitzeltätigkeit Arm in Arm mit dem Bespitzelten fortsetzen. Baudolino ging zu dem Dickicht, das ihm Trotti gezeigt hatte. Er brauchte gar nichts zu fingieren, denn er musste wirklich eine Zeitlang stöbern und wühlen, bis er den alten Grenzstein fand, wobei er etwas vor sich hin brummelte von einem Hinweis, den er gerade von einem seiner Informanten bekommen habe. Endlich fand er den Stein, der tatsächlich so aussah, als ob er da mit den Sträuchern gewachsen wäre, untersuchte ringsum den Boden, schob das Laub und die Zweige beiseite, bis ein Eisengitter zum Vorschein kam. Er bat den Brabanter, ihm zu helfen, und gemeinsam hoben sie es hoch: Darunter waren drei Stufen. »Hör zu«, sagte er zu dem Mann. »Du steigst runter und gehst durch den Tunnel, der hier sein muss, bis es nicht mehr weitergeht. Am Ende wirst du vielleicht schon Lichter sehen. Schau dir alles an und merk dir gut, was du siehst. Dann komm zurück und berichte mir. Ich warte hier und passe auf, dass keiner kommt.«
    Der Mann fand es ganz natürlich, wenn auch leidvoll, dass ein feiner Herr ihn erst bat, für ihn den Aufpasser zu spielen,

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