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Baudolino

Baudolino

Titel: Baudolino Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Umberto Eco
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mit einem Gefolge von treuen Bischöfen, darunter Herr Rainald, der als Erzbischof von Köln auch Metropolit jener Provinz dort ist, und mit einer Bulle des Papstes Paschalis, der dich legitimiert, läßt du Karl den Großen zum Heiligen proklamieren. Verstehst du? Du läßt den Gründer des Heiligen Römischen Reiches zum Heiligen
    proklamieren: Ist er erst einmal heilig, steht er über dem Papst, und du als sein legitimer Nachkomme bist aus dem Stamm eines Heiligen, also keinerlei Autorität unterworfen, auch nicht der, die sich anmaßen wollte, dich zu exkommunizieren.«
    »Beim Barte Karls des Großen!« rief Friedrich aus, und seine roten Barthaare stellten sich vor Erregung auf. »Hast du gehört, Rainald? Dieser Junge hat wie immer recht!«
    So geschah es dann, wenn auch erst am Ende des
    darauffolgenden Jahres, denn gewisse Dinge brauchen Zeit, um gut vorbereitet zu werden.
    Als Idee sei es ja schon verrückt gewesen, bemerkte Niketas, und Baudolino antwortete: »Aber es hat funktioniert«, wobei er ihn mit unverhohlenem Stolz ansah. Natürlich, dachte Niketas bei sich, deine Eitelkeit ist grenzenlos, du hast es sogar geschafft, aus Karl dem Großen einen Heiligen zu machen. Von
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    Baudolino durfte man sich nun alles erwarten. »Und wie ging es weiter?« fragte er.
    »Während Friedrich und Rainald sich darauf vorbereiteten, Karl den Großen heiligzusprechen, machte ich mir langsam klar, daß weder er noch die Magier genügten. Die waren jetzt alle vier im Paradies, die Magier bestimmt und hoffentlich auch Karl der Große, sonst würde in Aachen ein schöner Betrug inszeniert, aber wir brauchten noch etwas, das hier auf Erden existierte, einen Ort, wo der Kaiser sagen konnte: Hier stehe ich, und dies bestätigt mein Recht. Das einzige, was der Kaiser, so gesehen, auf dieser Erde finden konnte, war das Reich des Priesters Johannes.«
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    11. KAPITEL

    BAUDOLINO BAUT DEM
    PRIESTER JOHANNES EINEN
    PALAST
    Am Freitag morgen kamen drei Genueser, Pevere, Boiamondo und Grillo, und bestätigten, was man auch von weitem gut sehen konnte: Der Brand war erloschen, so gut wie von allein, da niemand sich allzuviel Mühe gemacht hatte, ihn zu bekämpfen.
    Das hieß freilich nicht, daß man nun gefahrlos durch
    Konstantinopel spazieren konnte. Im Gegenteil, da die
    Kreuzpilger sich nun leichter durch die Straßen bewegen konnten, verstärkten sie ihre Jagd auf wohlhabende Bürger, und zwischen den noch rauchenden Trümmern zerstörten sie das wenige, was noch stehengeblieben war, auf der Suche nach den letzten Schätzen, die den ersten Razzien entgangen waren.
    Niketas seufzte resigniert und bestellte sich Samoswein.
    Er bat auch, daß man ihm Sesamkerne in ganz wenig Öl
    röstete, zum langsamen Kauen zwischen einem Schluck und dem anderen, und dazu wünschte er sich noch Nüsse und
    Pistazien, um besser der Erzählung zu folgen, in der
    fortzufahren er Baudolino ermunterte.
    Eines Tages wurde der Poet mit einem Auftrag von Rainald nach Paris geschickt, und so nutzte er die Gelegenheit, sich wieder einmal mit Baudolino und Abdul den Tavernenfreuden zu überlassen. Er lernte auch Boron kennen, aber dessen Phantasien über das Irdische Paradies schienen ihn wenig zu
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    interessieren. Die Jahre am Hof hatten ihn verändert, fand Baudolino. Er war härter geworden, er trank zwar immer noch gern, aber er schien aufzupassen, daß es nicht zu reichlich wurde, um wachsam zu bleiben wie jemand, der auf eine Beute lauert.
    »Baudolino«, sagte er eines Tages, »ihr vertut hier eure Zeit.
    Was wir in Paris lernen sollten, haben wir gelernt. Aber alle diese Doktoren würden sich ins Hemd machen, wenn ich
    morgen zu einer Disputation im großen Aufzug als Ministeriale erschiene, mit dem Schwert an der Seite. Am Hof habe ich vier Dinge gelernt: Wenn du neben großen Männern stehst, wirst du selber groß, die Großen sind in Wirklichkeit ziemlich klein, die Macht ist alles, und es gibt keinen Grund, daß du sie dir nicht eines Tages selber nimmst, zumindest teilweise. Man muß warten können, sicher, aber man darf auch nicht die Gelegenheit verpassen.«
    Er spitzte jedoch sofort die Ohren, als er hörte, daß seine Freunde noch immer vom Priester Johannes sprachen. Als er sie vor bald zwei Jahren in Paris verlassen hatte, schien diese Geschichte noch eine bloße Bücherwurm-Phantasie gewesen zu sein, aber in Mailand hatte er Baudolino zu Rainald darüber reden hören wie über etwas, das zu einem sichtbaren Zeichen der

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