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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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wir im vorigen Jahre die Turnierbahn anlegten, als wir mit großen Kosten die Tribüne bauten, hat mir der Graf in die Hand versprochen, das Turnier werde mindestens fünf Jahre hindurch in Altholm stattfinden.
    Gestern habe ich einen Brief von ihm bekommen, daß angesichts der veränderten Lage das Turnier nicht in Altholm abgehalten werde.
    Ich überlasse diese Handlungsweise eines Edelmannes den Herren zur Beurteilung.«
    »Pfui!«
    |288| »Jawohl, pfui, Herr Medizinalrat, und zwar für Herrn Grafen Pernath. – Was nun jene Warnung in der ›Chronik‹ angeht, die Herr Obermeister Besen erwähnt, so habe ich diese ›Warnung‹ vor mir. Es ist nicht etwa eine redaktionelle Notiz, es ist, meine Herren, ein anonymes ›Eingesandt‹.
    Und zwar erschien dieses ›Eingesandt‹ zu einer Zeit, als die Bauern noch gar nicht an einen Boykott dachten. Das ist das, meine Herren, was ich das Feuer schüren nenne. Selbstverständlich hat es mir vollkommen ferngelegen, den so verdienstvollen und maßhaltenden ›Nachrichten‹ einen derartigen Vorwurf zu machen.
    Herr Heinsius hat gefragt, warum Herr Oberbürgermeister Niederdahl nicht hier ist. Nun, ich kann darauf nur sagen, daß Herr Oberbürgermeister in Urlaub ist. Er wird von mir ständig auf dem laufenden gehalten. Er ist jederzeit bereit, seinen Urlaub abzubrechen, er hat das auch angeregt. Ich habe es nicht für nötig gehalten.
    Meine Herren, wir sind, wie der Turnierfall beweist, in der Lage einer Stadt, die vom Feinde eingeschlossen ist. Wir dürfen Hilfe von der Regierung erwarten, aber wann diese Hilfe kommt, das steht dahin. Mittlerweile ist nichts so nötig wie Zusammenzustehen und einig zu sein, einig zu kämpfen.
    Es ist der Vorschlag gemacht worden, sich mit den Bauern an einen Verhandlungstisch zu setzen. Meine Herren, Sie setzen sich ja aber nicht mit den Bauern an einen Tisch, im besten Falle kommen Sie mit irgendwelchen sogenannten Führern zusammen, die sich aus der Not der andern ihre Riemen schneiden wollen.«
    »Unerhört!«
    »Das ist unerhört, jawohl. Aber das ist so. – Zeigen Sie keine Schwäche, meine Herren, verhandeln Sie nicht. Setzen Sie dem pommerschen Bauerndickkopp den pommerschen Städterdickkopp entgegen.
    Seien Sie einig, meine Herren.
    Ich erteile noch Herrn Assessor Stein zu einer sachlichen Aufklärung das Wort.«
    |289| Das schlanke, schwarze, nervöse Männchen erhebt sich.
    »Hochverehrte Herren, wie einigen von Ihnen bekannt ist, bin ich der Sachbearbeiter des Wohlfahrtsamtes. Meine Herren, uns liegt unter anderem ob die Pflege, Betreuung, Vormundschaft über die unehelichen Kinder der Stadt.
    Es ist Klage darüber geführt worden, ein wie großer Schaden dem städtischen Handwerk und Gewerbe aus dem Fortfall des Fahrturniers entsteht. Herr Obermeister Besen hat für das Gastwirtsgewerbe eine Zahl genannt, eine erschreckende Zahl: einundzwanzigtausend Mark.
    Nun, meine Herren, das verliert die Stadt und mehr, denn auch die andern Gewerbe werden Zahlen nennen können. Was aber, frage ich, gewinnt die Stadt durch den Fortfall des Turniers? Lassen Sie mich eine ganz kleine Gegenrechnung aufmachen, hören Sie mich einige Minuten in Geduld an.«
    Assessor Stein, sicher geworden, blickt lächelnd auf die erwartungsvollen Gesichter.
    »Ja, ich frage Sie, hat die Stadt nicht auch Nutzen davon, wenn das Turnier hier nicht stattfindet? Ich rede gar nicht von den direkten Kosten, die der Stadt aus dem Turnier erwachsen und die im Vorjahre neuntausend Mark betrugen. Ich gebe Ihnen etwas anderes zu bedenken.
    Meine Herren, überlegen Sie mal, bei dem Turnier sind schlecht gerechnet die Bauernjungen eine Woche in der Stadt. Da haben sie ein bißchen Geld in der Tasche, da wird getrunken, gefeiert, geliebelt.
    Na, Sie werden mir zugeben, in der Stadt sind die Mädchen hübscher als auf dem Lande. Sie machen sich netter zurecht, sie sind sauberer, das sieht auch ein Bauernjunge.
    Und wenn nun der Assessor Stein neun Monate nach dem Turnier seine Eingänge durchsieht, da findet er plötzlich den Beweis, daß die Bauernjungen die Stadtmädel hübsch gefunden haben. In diesem Jahre sind vierzehn uneheliche Kinder angemeldet als Ergebnis des vorjährigen Landesturniers.
    Ja, meine Herren, werden Sie mir sagen, das ist alles nicht |290| so schlimm, das sind Bauernjungen, die werden schon zahlen. Und da kommt man denn zu den Vätern – der Bauernjungen, wohlgemerkt –, und die stöhnen ach und weh, wie viel der Junge kostet und daß er nichts

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