Bauern, Bonzen und Bomben
Rettungsexpedition geborgen werden. Er behauptet erbittert, die Halle sei voll versteckter Bauern, die im Dunkeln auf ihn eingeschlagen hätten.
Dann hört man Dr. Hüppchen sanft kreischen, das Geräusch eines Schlages, und Toleis’ tiefe Stimme brummt: »Doktor, Sie sind doch ein Schwein!«
(Wieso kommt aber Toleis in die Halle? Er sollte doch beim Auto bleiben.)
Schließlich stehen alle jenseits der dunklen Pforte unter dem Nachthimmel, der ihnen klar und rein vorkommt.
Unschlüssig stehen sie da, aber Manzow erklärt: »So können wir nicht auseinander. Zuerst müssen wir besprechen, was wir den andern sagen wollen. Außerdem habe ich Durst.«
»Ich auch.«
»Ich auch.«
»Wir alle.«
»Ich schlage vor«, erklärt Manzow, »Toleis fährt uns alle ins Rote Kabuff. Da kann man sich wenigstens ungestört ausquatschen.«
»Ach nein, bitte nicht ein so zweifelhaftes Lokal!« bittet der Doktor.
»Wenn wir hinfahren, dürfen Sie auch«, stellt Manzow fest. »Außerdem ist es beinahe zwölf, da sieht uns keiner.«
Eine Viertelstunde später sind sie bei Minchen Wendehals im Roten Kabuff um den großen runden Ecktisch bequem installiert.
Die Nische, in der sie sitzen, mit bunt bespannten Wänden, durch einen Vorhang von dem andern Lokal getrennt, ist gemütlich, das gedämpfte Licht angenehm. Die Kellnerin |310| ist nicht etwa beunruhigend hübsch oder zu nuttig, und über die erste wechselseitige Verblüffung, daß sie alle Herren, mit Ausnahme von Dr. Hüppchen, bei Vornamen kennt und nennt, sind sie hinweg.
Einig ist man sich auch, daß alles gemeinsam bestellt und aus einer Kasse bezahlt wird. Ungewiß ist nur noch, aus welcher. Doch das macht im Augenblick, da die angeforderten sechs Eisbeine mit Sauerkraut und Erbsbrei erscheinen, weniger Sorge.
Die Herren langen kräftig zu. Auch mit Bier und Korn spart man nicht.
Plötzlich stößt Textil-Braun einen Schrei aus: »Meine Herren, sehen Sie doch …«
Im ersten Hunger hat niemand auf Dr. Hüppchen geachtet, nun starren alle mit Grauen auf seinen Teller.
Der Vegetarier hat das Fleisch verschmäht, aber der Rohköstler machte ein Zugeständnis und nahm Erbsbrei mit Sauerkraut. Doch der Abstinente wollte nicht Bier und Schnaps, heimlich bestellte er sich Himbeersaft, und nun gießt er, grauenhafter Anblick, die Himbeertunke über Kraut und Brei.
»Aber meine Herren, was wollen Sie? Das schmeckt glänzend!«
Und er führt den ersten Bissen zum Munde.
»Doktor!!!«
»Tun Sie mir einen Gefallen: Essen Sie das irgendwo, wo wir das nicht sehen.«
»Aber versuchen Sie doch mal …«
Manzow klagt: »Mir wird das Fleisch immer dicker im Munde und die Zähne sooo lang.«
Und Lienau: »Das ist gottverdammte Perversität. Franzosen fressen solchen Schweinkram.«
Dr. Hüppchen läuft rosig an. »Aber Sie brauchen doch nicht hinzusehen! – Freilich, wenn es wirklich stört …«
Immerhin sind die Herren Kunden seines Bücherrevisionsbüros, auch ist er Syndikus der Detaillisten. So dreht er |311| den Stuhl mit der Lehne gegen den Tisch, seinen Rücken gegen die Versammelten und nimmt den Teller auf die Knie.
Alle atmen auf.
»Muß Ihre Mutter eine komische Frau gewesen sein!«
»Na, wer Sie einmal heiratet, Herr Doktor!«
»Wer soll den heiraten? Toleis, möchten Sie den Doktor heiraten …?«
Denn sie haben Toleis ins Lokal mitgenommen, erstens, weil man nicht weiß, ob man in ein, zwei Stunden allein nach Haus findet, dann, um sich seines Schweigens zu versichern.
Das ist das wichtigste, Schweigen, und kaum ist der Tisch abgeräumt, die Kellnerin fortgeschickt, erhebt sich Manzow.
»Meine Herren! Wir alle sehnen uns, nach den heutigen Strapazen zum gemütlichen Teil zu kommen … Ich mache es daher kurz.
Die Aufgabe unserer Kommission ist, sagen wir vorläufig, gescheitert. Nicht durch unsere Schuld. Mit einer nicht zu überbietenden Geduld haben wir die würdelose Fahrt, die höhnische Behandlung in der Viehhalle ertragen.
Was dann da an Forderungen genannt worden ist, meine Herren, das ist so wahnwitzig, daß es nicht einmal als Ausgangspunkt für Verhandlungen angesehen werden kann.
Ich schlage vor, wir geben unsern Auftraggebern unsere Ämter zurück.
Ich schlage weiter vor, wir erklären Bürgermeister Gareis, daß wir nach näherer Überlegung seinen Kampf gegen den Boykott akzeptieren wollen.«
Lienau ruft empört: »Was das rote Schwein vorschlägt, tun? Niemals!«
»Wissen Sie etwas Besseres?«
Aber Lienau, eisern über den Rand
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