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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Eine Uhr schlägt elf, plötzlich viele Uhren. Ein Glockenspiel.
    »Gott, ist das nicht das altholmsche Glockenspiel?«
    »Quatsch, Stolpermünde hat auch so eins. Wir müssen direkt an der See sein, ich rieche die Seeluft.«
    Der Führer sagt plötzlich hastig etwas zu Toleis.
    Der beginnt zu fluchen: »Gottverdammichnochmal! Da rüber …«
    Es sind sechs dünne Brettchen über ein rasch fließendes Wasser.
    Hüppchen stößt einen Schrei aus: »Nein! Bitte, nein!«
    Da rast der Wagen schon los. Hüppchen fällt mit einem Schreckensruf auf seinen Sitz zurück. Sie fühlen, wie die Bretter nachgeben, krachen, splittern – und sind auf einer Wiese. Ein paar Weiden am Wasser. Eine Koppel.
    Plötzlich ein Stück grauer Straße, richtige Steinstraße. Und sie halten an der dunklen fensterlosen Hinterfront eines Gebäudes, das riesig erscheint.
    Der Bauer ist abgesprungen und reißt den Schlag auf.
    »Bitte, treten Sie ein, meine Herren.«
    In der dunklen Fassade öffnet sich lautlos eine dunkle Tür. Sie treten ein, halb benommen von der Fahrt, mit steifen Gliedern.
    |307| Und da sie eintreten, dämmert es ihnen allen: »Gott, das ist Altholm! Gott, das ist ja die Auktionshalle der Schwarzbunten!«
    Einer sagt vernehmlich, mit knirschenden Zähnen: »Diese gottverdammten Bauern!«

    6

    Der Riesenraum ist vollständig finster.
    Nur jenseits, auf der Estrade, stehen auf einem Tisch zwei Kerzen. Zwei einfache Stearinkerzen in schäbigen flachen Emailleleuchtern.
    Die Herren tasten sich vorwärts gegen die beiden flimmernden Lichtfünkchen. Sie stoßen sich an umgeworfenen Bänken, hingestürzten Stühlen, Brüstungen, Holzsäulen. Sie kommen auseinander, irritieren sich durch halblaute Zurufe, die aus jedem Winkel der Halle zu kommen scheinen, und finden sich doch schließlich wieder zu Füßen der Estrade zusammen.
    »Wer soll sprechen?«
    Und Manzow: »Natürlich ich.«
    Die Tür links auf der Estrade geht auf, zwei Mann kommen. Ein Langer, Kräftiger, ein paar wissen, wer das ist: Franz Reimers, der Führer der Bauernschaft.
    Und einer mit einer Hornbrille. Auch ihn kennen einige: Padberg von der Zeitung »Bauernschaft«.
    Manzow setzt sofort ein:
    »Wir danken Ihnen, meine Herren, daß Sie schließlich doch Ihr Versprechen gehalten haben. Sie haben uns zum Narren gehabt. Nun, wir können uns auch einmal narren lassen. Wenn das Ergebnis nur gut ist.
    Also, meine Herren, ich schlage vor: Wir machen Schluß mit der Feierlichkeit und mit der stimmungsvollen Beleuchtung und setzen uns irgendwo, wo es Ihnen recht ist, bei einem Topp Bier und einem deftigen Korn zusammen und |308| quasseln uns unsere Beschwerden vom Herzen. Einverstanden?«
    Irgendein Echo hat jedes Wort von Manzow nachgeschwätzt. Außerdem ist es deprimierend, zu Füßen einer zwei Meter hohen Estrade erhöht Stehende ansprechen zu müssen. Die Herzlichkeit klang falsch, die Jovialität doof.
    Der Bauer Reimers sagt:
    »Die anwesenden Vertreter Altholms wollen wissen, unter welchen Bedingungen die Bauernschaft bereit ist, die ihr angetane Schmach zu verzeihen und Frieden mit der Stadt Altholm zu schließen.
    Die Bedingungen lauten:
    Zum ersten: ehrenvolle Rückgabe der Fahne.
    Zum zweiten: sofortige Dienstentlassung der Schuldigen Frerksen und Gareis.
    Zum dritten: strafrechtliche Verurteilung der Polizeibeamten, die mit der blanken Waffe gegen die Bauern vorgegangen sind.
    Zum vierten: eine lebenslängliche, auskömmliche Pension für die verletzten Bauern.
    Zum fünften: eine einmalige Geldbuße von zehntausend Mark.
    Sind die hier anwesenden Vertreter der Stadt Altholm bereit, diese Bedingungen anzunehmen, so haben sie dies Schriftstück als selbstschuldnerische Bürgen zu unterzeichnen.
    Irgendwelche Diskussion ist ausgeschlossen.«
    »Aber lieber Herr Reimers«, ruft Manzow halb empört, halb belustigt aus. »Das können wir doch gar nicht. Die Fahne ist von der Staatsanwaltschaft beschlagnahmt. Und wie können wir Beamte entlassen? Wie können wir Strafverfahren …«
    »Nehmen Sie die Bedingungen an?«
    »Aber wir können doch nicht …«
    Auf der Estrade erlöschen die Lichter. Eine Tür klappt. Die Herren stehen im Dunkeln.

    |309| 7

    Sie finden aus der Wirrnis der schwarzen Halle erst nach Minuten mit Zündhölzern und Flüchen ihren Weg.
    Dabei kommt es zu Zwischenfällen: Medizinalrat Doktor Lienau stürzt, verliert den Anschluß an die Gruppe und muß erst spät, mit völlig zerschlagenen Schienbeinen und gräßlich fluchend, durch eine

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