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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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eine Reinigungsklappe im Schornstein, da sitzt sie. Daß ich die gehört habe, der reine Zufall!«
    »Sie haben sie doch sitzenlassen«, fragt Padberg besorgt.
    »Was denn sonst? Mag die doch klingeln, mich klingelt sie nicht mehr an. Ich hab sie nur abgestellt. Da ist ein Schalter dran, daß man sie für den Tag abstellen kann.«
    »Gut!« sagt Padberg. »Weidmannsheil!«
    »Weidmannsdank!« antwortet Thiel und findet seine glühende Dachabseite nicht mehr so schlimm.

    6

    Wenn Max Tredup auch diese Nacht spät nach Haus ging, diesmal kam er aus keiner Kneipe, von keinem Frauenzimmer.
    Spät war er noch aufs Rathaus gegangen, er wußte, der Bürgermeister saß oft bis in die Nacht in seinem Arbeitszimmer, |342| einfach weil er zu faul war, nach Haus zu gehen, sagten die Leute.
    Aber der Bürgermeister war nicht da, der Bürgermeister war verreist. Herr Bürgermeister hatte den Auftrag hinterlassen, ihm, dem Sekretär Piekbusch, sei der Brief auszuhändigen. Tredup war nicht darauf vorbereitet, er mußte sich von dem Sekretär einen Briefumschlag geben lassen, ein Kuvert mit dem Aufdruck der Stadt Altholm, das er an Herrn Bürgermeister Gareis,
persönlich
, adressierte.
    Dann, in der Tür, mußte er ansehen, wie der Sekretär den Briefumschlag aufriß.
    Nach dem Jagdfeuer kam die Ermattung, nach der Hoffnungsfreude auf ruhigere Stellung die Mutlosigkeit. Es war leicht gewesen, am Mittag der Frau ins Gesicht zu schlagen, lauernd auf einen Geldschrankschlüssel, im Eifer des Kampfes, geheimer Gesandter eines Bürgermeisters. Aber abends, verächtlich im Vorzimmer abgefertigt, den Heimweg direkt vor der Nase, waren die Schläge das, was sie waren: eine Gemeinheit, die auszubaden er Angst hatte.
    Tredup ging nicht nach Haus.
    Er saß eine Weile auf einer Bank, draußen vor der Stadt, auf dem Jugendspielplatz. Hier hatte der Zirkus Monte mit seinen schmierigen Wagen sein Zweistangenzeltlein aufgebaut, aus dem dann Abend für Abend die Huppe-Huppe-Reiter-Melodie in Blechmusik erklungen war. Damals konnte er Elise noch alles sagen, heute …
    Er stand auf und ging zum Bahnhof. Er löste eine Fahrkarte nach Stolpe, genauer nach Stolpermünde. Er wollte die tausend Mark, die neunhundertneunzig Mark holen, sie Elise geben, sagen: Alles ist wieder gut.
    Er wollte mit Stuff reinen Tisch machen. Er wollte zu Gebhardt gehen und ihm sagen: Das und das hat mir der Bürgermeister geboten, wenn ich Sie an ihn verrate. Ich sage Ihnen das bloß. Ganz ohne weiteres.
    Dann, in Lohstedt, stieg er wieder aus, gab die Karte ab.
    Nun ja, es war noch zu früh. Elise das Geld zu geben, sich |343| den letzten Ausweg abzuschneiden, dazu war es noch zu früh. Jetzt gab es noch andere Mittel, sie herumzukriegen: ein bißchen Zärtlichkeit, ein bißchen Aufmerksamkeit, ein paar Abende zu Haus sitzen, etwas auf Stuff schimpfen. Und dann eine Überraschung: ein Feldblumenstrauß. Ja, das war das Richtige, kostete nichts und bewies zugleich, daß er in keiner Kneipe gewesen war.
    Später, auf dem Fußmarsch von Lohstedt nach Altholm, durch die immer tiefer und stiller werdende Nacht, den Strauß in den Händen, leichten Wind auf dem Gesicht, wird auch er sanfter. Etwas von der Angst, die nun immer sein Herz erfüllt, zerlöst sich. Er versucht zu singen, von den Liedern, die er auf der Schule gelernt hat. Ja, es geht wieder. Das Leben ist so übel nicht.
    Und, zum Donnerwetter, er muß wirklich daran denken, daß Elise in andern Umständen ist. Er muß sehen, daß er von Stuff die genaue Adresse bekommt.
    Wie lange ist das her? Es war direkt nach seiner Entlassung, vier Wochen, fünf Wochen. Vielleicht noch etwas zu früh für einen Eingriff, nun, man konnte jedenfalls heute schon mit Elise darüber reden, das machte ihr auch wieder Hoffnung und Mut.
    Zehn Kilometer von der geschlagenen Frau scheint die Versöhnung leicht. Ist man erst auf dem Hof …
    Nun gut, dort steht er im Dunkeln, es ist nach zwölf. Die beiden Fenster zu seinem Zimmer sind offen, Wind bewegt die Vorhänge, die Frau hat noch Licht.
    Er schleicht näher, späht. Sicher näht sie noch, stopft irgend etwas für ihn oder die Kinder.
    Nein, sie näht nicht.
    Sie sitzt am Spind, sie hat Papier vor sich liegen, sie schreibt. Er kann ihr Gesicht gut sehen, es ist ganz im Licht der Lampe.
    Nein, es ist ein gutes Gesicht. Nicht umsonst macht man Jahre Weg mit einer Frau, hat mit ihr Kinder, schläft bei ihr und bespricht mit ihr, wie das Geld einzurichten ist, was man morgen kochen soll

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