Bauern, Bonzen und Bomben
Sollst du einen Kunden verprellen, weil deine Frau keinen Biergeruch am Vormittag mag?«
»Recht hast du! Ich werde den Fritz schicken.«
»Schick den Fritz nicht, geh selber. Die Setzer quatschen so schon genug über unser Biertrinken.«
»Rück Geld raus.«
»Hier.«
»Weißt du was? Ich werde anrufen, der Krüger kann rüberschicken.«
Tredup, direkt am Geldschrank stehend, mit dem Rücken die Schlüssel verdeckend: »Daß wir noch eine Stunde warten können. Jetzt zum Mittag muß doch beim Krüger alles bedienen.«
»Na, werde ich gehen.«
»Endlich kapierst du das! Du kannst wohl den kleinen Weg machen, wenn ich einen halben Liter spendiere.«
»Ich geh ja schon.«
Kaum ist er raus, reißt Tredup die Geldschranktür auf. Drei kleine Schubladen sind im Schrank, außer den Kassen- und Bücherfächern.
In der ersten liegen Angestellten- und Invalidenkarten.
In der zweiten aller mögliche Dreck.
In der dritten … Gottlob, er hat sie. Aber Zeit ist nicht zum Abschreiben. Er steckt sie in die Tasche, muß am Abend sehen, wie es sich macht, sie zurückzulegen.
Tredup hält achtsam die Schlüssel an, daß sie nicht pendeln, geht auf und ab. Das Papier brennt in seiner Tasche.
Dann trinken sie ihr Bier, und dann kommt Fräulein Klara |337| Heinze, um Wenk abzulösen, damit der auch Mittag machen kann.
Wenk schließt den Geldschrank ab, seinen Schreibtisch zu, setzt den Hut auf.
»Na denn Mahlzeit!«
»Mahlzeit!«
In der Tür bleibt er noch einmal stehen. »Bleibst du hier, bis ich wiederkomme, Tredup?«
»Ja. Ich warte auf Stuff. Bestimmt.«
»Dann laß ich dir den Geldschrankschlüssel hier. Es kann sein, daß ein Bote von den ›Nachrichten‹ wegen Geld kommt. Achthundert. Die Quittung liegt im Fach.«
»Schön, also Mahlzeit.«
»Mahlzeit.«
Tredup setzt sich auf dem Redaktionszimmer an seine Maschine, zieht die Bescheinigung aus der Tasche und fängt an, sie abzutippen.
Das hätte ich billiger haben können.
5
Thiel hat in einer Dachkammer der Zeitung »Bauernschaft« Unterschlupf gefunden.
Eigentlich ist es nicht einmal eine Kammer, sondern nur das, was man in dieser Gegend eine Abseite nennt, ein Abschlag unter der Dachschrägung mit einer kleinen Glasscheibe, die an einem Eisenstab hochgeschoben werden kann. In einer Ecke liegt Gerümpel: zerbrochene Setzerschiffe, unbrauchbare Walzen, Maschinenteile. Unter dem Fenster hat ihm Padberg ein paar Woilache hingeworfen und einen Stapel Romane, Besprechungsexemplare. »Daß du dich nicht langweilst.«
Hier, Bretterwand an Bretterwand mit dem Klo der Zeitung, verbringt Thiel seine Tage. Eigentlich läuft tagsüber ständig nebenan der Spülungskasten, und was Thiel noch an |338| Illusionen über die Spezies Mensch besaß, er hat es längst verloren beim Anhören der ewigen Verdauungsgeräusche auf dem Klo.
Aber er darf sich nicht rühren, niemand im Haus darf auch nur ahnen, daß einer oben ist. Nach Feierabend bringt Padberg zu essen, zu rauchen, zu trinken, zu lesen. Er ist gar nicht filzig, er läßt es sich (oder die »Bauernschaft«) was kosten, den Gast bei guter Stimmung zu halten, aber er ist unerbittlich in seiner Strenge, ihm jeden Schritt aus dem Haus zu verbieten.
Bei Tage ist Thiel eingeschlossen, ein regelrechtes handfestes Vorhängeschloß liegt vor seinem Stall. Er könnte ja nun versuchen, die Krampen loszukriegen, aus einem Maschinenteil läßt sich schon ein Werkzeug zurechtmachen. Aber er hat genug von dem Intermezzo mit Padberg, als er an einem Abend auf die Straße gelaufen war und ausgerechnet dem in die Quere.
Padberg hatte ihn ruhig am Arm genommen, gemütlich plaudernd war er mit ihm auf das Redaktionszimmer zurückgegangen. Aber kaum war die Tür zu, ging ein Hagel von Schlägen auf Thiel nieder. Er bezog regelrechte Dresche, gnadenlose Prügel, solange die Kräfte Padbergs – und der hatte welche – vorhielten.
»Dummer Bengel, deinetwegen Schwierigkeiten haben, das hätte mir gefehlt! Man rettet den Idioten vorm Zuchthaus, und zum Dank soll man selber rein. Da! Da! Und nimm den auch noch! Siehst du!«
Aber zwei Tage später ist Padberg schon wieder gut. Er kennt junges Gemüse, er trägt nichts nach. Und er wird nicht müde, Thiel auf den nächtlichen Besucher seines Schreibtisches scharfzumachen, Thiel muß den erwischen.
Doch Thiel bleibt ungläubig. »Wenn einer da war, jetzt ist keiner mehr da, Herr Padberg. Ich passe doch die ganze Nacht auf. Kein Schwanz.«
»Sie passen auf? Sie passen eben
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