Bauern, Bonzen und Bomben
nicht auf. Letzte Nacht haben Sie den Kronleuchter angebrannt in meinem Zimmer, |339| ich kam grade draußen vorbei. Sie sollen das lassen. Ich habe dich gut stehen sehen, Äffchen.«
»Ich …? Ich habe …?«
Die beiden sehen sich an. Thiel braucht nicht weiterzureden, Padberg hat schon verstanden und glaubt ihm.
»Dann war
der
wieder da. Gottesdonner, Thiel, das ist doch was. Den müssen Sie doch kriegen. Sie nehmen doch immer den Gummiknüttel mit?«
Es ist ein uraltes Haus, das Haus der »Bauernschaft« am Stolper Markt. Zweistöckig, mit einem Dach wie ein Gebirge. Früher war hintendran ein langes, tiefes Gartengrundstück. Dann wurde das Haus Zeitung, und man baute in der ganzen Breite des Hauses in den Garten hinein den Setzersaal mit einer Außentreppe auch in den ersten Stock zur Buchbinderei. Und weiter hinten in den Garten baute man das Maschinenhaus, wo der Bleiofen seinen Platz bekam und die Rotationsmaschine und der Ofen zum Maternabgießen. Und man verband das Maschinenhaus durch einen verdeckten Gang mit den Kellern des Vorderhauses, damit die Zeitungsballen nach hinten gerollt werden konnten. Und man baute einen dritten Schuppen mit Packtischen für die Austrägerinnen.
Und dazwischen gingen überall Treppchen und Winkelwege durch die Gartenreste. Und im eigentlichen Hause hatte man Wände weggeschlagen und Wände gezogen: Es war ein Fuchsbau, es war ein Kaninchengehege, es war ein Labyrinth.
Thiel kennt es jetzt. Abends, nachts, wenn es in diesen Augusttagen ganz dunkel geworden ist, macht er sich auf den Weg, ohne die kleinste Taschenlaterne, ohne ein Fünkchen Licht, nur mit seinem Gummiknüttel als Waffe, der einzigen Waffe, die ihm Padberg zugestehen will.
Er ist überzeugt gewesen, da ist nichts, Padberg hat sich was eingebildet. Stundenlang ist er durch den Komplex gewandert, rastlos, schon um müde zu werden für den nächsten Tag, nie hat er was getroffen.
|340| Aber in der letzten Nacht hat Licht gebrannt, Padberg hat es gesehen, und Padberg hat es wirklich gesehen, das war aus seinem Gesicht zu erkennen.
Es gibt hier also noch einen, hier geistert noch wer neben ihm, und einer, der schlauer ist als er, sonst hätte er ihn schon erwischt.
Thiel überlegt. Er hat Zeit, lange zu überlegen. Jetzt erinnert er sich, daß Padberg im Anfang erzählt hat, wie er ein paarmal von außen den Spion an der Arbeit gesehen hat und wie der immer fort war, kaum daß Padberg das Haus betreten.
Entweder hat er jemanden, der Schmiere steht …
Aber diesen Gedanken verwirft Thiel sofort. Das alte Haus hat zu viele Ausgänge. Zehn müßten Schmiere stehen, und dann gäbe es immer noch die Möglichkeit einer Überraschung.
Oder es gibt eine Signalanlage, irgendwelche Klingel- oder Lichtsignale, die den Mann warnen. Das ganze Haus liegt ja voll Leitungen.
Dann bleibt nichts, als sich im Redaktionszimmer selbst zu verstecken, sich unter den Schreibtisch zu hocken die ganze Nacht.
Aber das hat Padberg auch schon versucht.
Und Thiel streicht wieder ziellos umher, planlos, durch die dunklen Gänge, über die finsteren Treppen, in die Zimmer, die von außen ein Schein der Marktplatzlaternen erhellt, in den Setzersaal, auf dessen Oberlichtfenstern ein Abglanz des nie ganz lichtlosen Augusthimmels liegt, in den Garten, der für seine Augen fast hell ist.
Und als er einmal aus der Expedition im Parterre emporsteigen will zum ersten Stock, wo die Redaktionsräume liegen, da hat er sein Erlebnis: In diesem Haus, in dem toten Irrwirrhaus schlägt, als er die Tür zur Treppe öffnet, ganz, ganz fern und leise eine Klingel an.
Den Bruchteil einer Sekunde steht Thiel starr.
Dann rast er die Treppe hinauf, reißt die Tür zur Redaktion auf …
|341| Hochgeschwungen hält er den Gummiknüttel in der Faust …
Aber das Zimmer ist leer. An der Wand liegen die breiten Lichtstreifen der Laternen. Für Thiels Nachtaugen ist das Zimmer taghell. Und es ist leer.
Doch die Tür drüben in der andern Wand: die schwingt! Die schwingt noch leise!!!
Thiel weiß: Eben noch war einer hier. War
der
hier.
Er geht gegen den Schreibtisch.
Die Lade steht offen. Leer.
Auf der Platte aufgestapelt, was darin war: zur Durchsicht, halb schon durchgesehen.
Thiel räumt ein. Der kommt heute nacht nicht wieder.
»Nun, das nächstemal«, tröstet Padberg.
»Gewiß. Oder das hundertstemal, aber ich kriege ihn.« Padberg ist zufrieden.
»Und wo sitzt die Klingel?«
»Genial, sage ich Ihnen! Habe ich gesucht! Über dem Ofen ist
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