Bauern, Bonzen und Bomben
verteilt. Die er noch in den |393| Händen hat, wirft er mit einem Schwung auf die Erde, stößt den Ruf aus: »Heil Bauernschaft!« und verschwindet.
Der Assessor bückt sich. Er kann nicht anders, die andern sehen ihn alle an, er öffnet so ein Päckchen. Und nun zeigt sich, daß nicht nur, um den Titel »Die Bauernschaft« zu verbergen, das Blatt so sorgfältig geknifft war. Auf der ersten Seite, in der Mittelspalte, mit Rotstift dick angestrichen, steht etwas, ein Offener Brief. Meier liest den Namen Temborius, er liest weiter, er zittert in seinen Schuhen. Er ist naß.
Ach, alle haben sie schon diesen unseligen Offenen Brief gelesen, nur sein Vorgesetzter, Regierungspräsident Temborius, steht allein da, etwas isoliert, kann man sagen, und sieht mit gerunzelter Braue her.
Gleich wird er rufen.
Assessor Meier geht mit schweren Schritten zu seinem Chef. Er ist einmal, lange ist es her, in diesem Haus herumgelaufen, als eine Bombe platzen sollte. Jetzt zum Chef gehen, ihm die Zeitungen vor die Nase legen ist schwerer.
Er legt sie hin.
»Was soll das? Zeitung lesen? Jetzt!«
Dann ist auch sein Blick gefangen, und er liest.
Assessor Meier steht einen halben Schritt hinter seinem Chef, abwartend. Einmal hört er den auflachen, höhnisch, bitter. »Ich jüdisch? Na, das danke ich wieder mal Ihnen, Herr Assessor.«
Dann streicht der Regierungspräsident das Blatt sorgfältig glatt.
»Ich bitte die Herren, sich an Ihre Plätze zu bemühen. Wir setzen die Beratung fort.«
Die Herren folgen. Die meisten bergen die Zeitung schämig in den Taschen, nur wenige legen sie offen vor sich auf den Tisch.
»Meine Herren! Hochverehrte Anwesende!
In unsere so erfreulich, im Geiste der Versöhnung verlaufene Verhandlung ist ein greller Mißklang gekommen. Von unberufener Seite, die noch ermittelt und streng bestraft |394| werden wird, ist hier eine Tageszeitung verteilt worden, ein Blatt, das … kurz, die ›Bauernschaft‹!
Ich habe das Blatt in den Händen der meisten gesehen, aber, um den Geist zu illustrieren, der diese Gemeinschaft Bauernschaft beseelt, die sich gegen alle Staatsautorität auflehnt, um diesen Geist, der der Alleinschuldige am sechsundzwanzigsten Juli ist, anzuprangern, halte ich es doch für gut, wenn dieses bübische Machwerk hier öffentlich verlesen wird. – Herr Assessor, ich bitte!«
Der Assessor zittert. Stotternd beginnt er:
»Offener Brief.
Tapferer Volksgenosse Temborius!
Sie haben uns zu einer Besprechung der Vorgänge in Altholm eingeladen. Sie wollen den Polizeiskandal auf dem Wege der Verhandlung in das sanfte Fahrwasser des Redegefechtes umleiten, damit nach einigen wilden Wellenschlägen allgemeine Beruhigung eintritt.
Diese Kampfmethode des jüdischen Aussaugungssystems, dessen hervorragender Vertreter Sie sind, ist uns bekannt. Blutsgemäß sind Sie besonders befähigt, dies System zu vertreten. Ihre Diener haben den werteschaffenden Steuerzahlern mit dem Gummiknüttel den blauen Orden der freien Republik verliehen. Statt die wahren Schuldigen zu bestrafen, schicken Sie diese auf Erholungsreisen. Leider nicht für immer nach Jericho oder Jerusalem.
Was wollen Sie denn eigentlich? Sie existieren überhaupt nicht für uns mit Ihrer ganzen Clique! Das von Ihnen ausgesogene und mit Füßen getretene Volk lehnt es ab, sich mit seinen Feinden an einen Tisch zu setzen.
Sie, Herr Temborius, dienen uns nicht mit Verhandeln, sondern mit Verschwinden, je eher, desto besser, mitsamt Ihrem ganzen Verwaltungsapparat! Das bodenständige Volk wird sich selbst helfen.
Die Ritter des Gummiknüttelordens zum blauen Fleck.
Die Bauernschaft.«
Assessor Meier hat geendet. Totenstille.
|395| Temborius erhebt sich wieder. »Meine Herren, wir haben das angehört. Wir haben das wohl alle mit äußerstem Ekel angehört. Ich denke, wir fahren jetzt mit unsern Verhandlungen fort. Wir kommen nunmehr zu Punkt zwei der Tagesordnung: die Bereinigung des Boykotts.
Ehe die Regierung Vorschläge macht, möchte ich doch fragen, ob aus dem Schoße der Versammlung Anregungen kommen. – Sie bitte, Herr … ach so, ja richtig. Herr Landwirtschaftsrat Päplow!«
»Ich bitte um Entschuldigung. Ich habe im Moment keine Anregungen zu geben. Doch möchte ich im Anschluß an den eben verlesenen Brief die Frage stellen: Sind hier Vertreter der Bauernschaft unter uns?«
Temborius lacht leise, etwas gereizt, auf. »Aber meine Herren, Sie sind alle Vertreter der Landwirtschaft! Ich sehe hier mindestens zwanzig
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