Bauern, Bonzen und Bomben
abzuschwächen: »Ich war nicht persönlich geladen.«
Aber Gebhardt ist geärgert. »Immerhin ist Frerksen endlich seines Amtes enthoben.«
»Irrtum«, sagt Gareis. »Irrtum. Er ist vorläufig von der Polizeiexekutive entbunden, was etwas wesentlich anderes ist.«
»Auch sein Urlaub ähnelt ein wenig dem Niederdahls.«
»Doppelter Irrtum. Ich habe ihn einfach fortgeschickt, damit er erst einmal den Leuten aus den Augen kommt.«
»Nun also!«
»Das ist weder Schwäche noch Geständnis. Aber, mein sehr verehrter Herr Gebhardt, es wird mir zuviel geredet. Was ist der sechsundzwanzigste Juli? Was ist ein Boykott? Gar nichts. Luft, wenn nicht davon geredet wird. Großgeredet ist das alles. Nicht draußen in der Provinz, nicht von den Bauern, großgeredet ist es hier in der Stadt, auch von Ihnen, grade von Ihnen. Ein Vorschlag: Machen wir Schluß mit dem ganzen Gerede über den sechsundzwanzigsten Juli. Ich werde die ›Volkszeitung‹ instruieren, daß sie nichts mehr bringt. Gar nichts mehr. Versprechen Sie mir dasselbe für ›Chronik‹ und ›Nachrichten‹.«
|401| »Die Lage ist so unübersichtlich.«
Pause.
Der Bürgermeister beginnt neu. »Sie besorgen die Geschäfte des Oberbürgermeisters, kämpfen gegen mich. Seien wir doch offen, Sie wollen den Ober nicht, wie ich ihn nicht will. Sie bekommen ihn nur fort, wenn Sie mich stärken. Jetzt schwächen Sie mich. Was ist all das Gerede über den sechsundzwanzigsten Juli? Kritik an mir.«
»An Ihnen! Lieber Herr Gareis, wer spricht gegen Sie! Gegen Frerksen, ja, aber gegen Sie …«
»Sie irren auch darin. Frerksen ist ganz unerheblich. Um mich geht es. Weiter auf diesem Wege, und eines Tages werden Sie rufen: fort mit Gareis!«
»Unmöglich.«
»Vielleicht erinnere ich Sie dann an diese Stunde. – Aber was läßt Sie denn den Kampf fortsetzen? Nur die Freude, den Lesern Sensationen zu geben? Es gibt so andere, so naheliegende. Enthüllungen …«
»Beispielsweise?«
Der Bürgermeister sagt langsam: »Es ließe sich darüber reden. Es gibt einwandfreies Material. Ich sage nur … nein, ich sage noch nichts. Ich möchte gerne Ihre Zusage, daß vorläufig abgeblasen wird. Alles spricht dafür.«
Gebhardt weicht aus. »Lieber Herr Gareis, was kann alles geschehen. Ich kann mich doch nicht festlegen.«
»Nein. Sie wollen es nicht. Schade.«
Der Bürgermeister denkt nach.
Das Telefon klingelt. Gareis hebt ab, meldet sich, hört lange, dankt und legt wieder auf.
»Eine zweite Neuigkeit für Sie«, wendet er sich an Gebhardt. »Die Versöhnungssitzung beim Präsidenten ist aufgeflogen. Die Bauernschaft hat den Präsidenten gröblich beleidigt. Die Vertreter der Landwirtschaft verließen unter Protest das Lokal.«
»Dies ist … Das hatte ich nicht erwartet. So sind vorläufig alle Beziehungen abgebrochen.« Gebhardt erhebt sich hastig. |402| »Ich will sofort sehen, Näheres zu erfahren. Wir hatten einen Herrn dort. Vielleicht kann es Stuff noch bringen. Wir in den ›Nachrichten‹ jedenfalls. Das wird einschlagen.«
Er steht schon, abmarschbereit.
Der Bürgermeister steht auch. Er ist ganz groß. Er ist unglaublich massiv. Er denkt nicht mehr an Schonung.
»Es wird nicht einschlagen. Denn Sie werden nichts darüber bringen. Nein, sage ich.«
»Wer sollte mich hindern?«
»Ich, beispielsweise. Nur ich, Herr Gebhardt, der rote Bürgermeister. Der Bonze. Ich will Ruhe, und ich kriege sie.«
Gebhardt sagt kühl: »Hier brechen wir lieber ab. Brutalisieren mag in Ihrer Partei Mode sein, mir gegenüber …«
»Brutalisieren ist überall da gut, wo die einfachste Vernunft versagt. Verstehen Sie doch, Herr Gebhardt, fahren Sie nicht wie eine Ente auf den Köder jeder Sensation los. Das macht Stuff. Aber Sie …«
»Auch ich. Wie kann ich solche Nachricht meiner Leserschaft unterschlagen? Meine Pflichten …«
»Quatsch!« sagt der Bürgermeister. »Wollen Sie Burgfrieden geloben, nun, sagen wir, bis zur Gerichtsverhandlung?«
»Ich denke gar nicht daran. Guten Morgen.«
»Einen Augenblick. Ich kann Sie noch nicht entlassen. Ich muß Sie leider polizeilich vernehmen. Es liegt eine Anzeige gegen Sie vor.«
»Eine Anzeige …?«
»Eine Strafanzeige. Richtig.«
Gebhardt überlegt. »Wenn mein Chauffeur etwas verbockt hat, schmeiße ich ihn raus.«
»Nicht Ihr Chauffeur. Aber nehmen wir doch wieder Platz. – Es ist eine Anzeige wegen Betruges.«
»Lächerlich!« Aber Gebhardt setzt sich. »Sie spielen ein gefährliches Spiel, Herr Gareis. Das
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