Bauern, Bonzen und Bomben
alle hier, Herr Präsident, verstehen und ehren Ihre lautere Absicht. Versöhnung, gut. Aber die Stunde ist |398| wohl noch zu früh. Es heißt warten. Noch liegen Verletzte im Krankenhaus in Altholm. Noch fühlt der Bauer den Schlag, der ihn getroffen. Vielleicht mit Recht getroffen hat, obwohl grade Ihre Entscheidung, Herr Präsident, daß der Leiter der Polizeiaktion des Amtes zu entheben war, nicht grade dafür spricht.
Jedenfalls, es ist zu früh. Herr Präsident, alle, die wir hier als Vertreter der Landwirtschaft um den Tisch sitzen, können kein Ja und können kein Nein sagen. Wir sehen mit tiefem Bedauern die neu gerissene Kluft zwischen Stadt und Land. Wir hoffen, die Zeit und Ihre Bemühungen werden sie überbrücken. Aber noch ist es zu früh.
Brechen Sie, Herr Präsident, diese aussichtslosen Verhandlungen ab.«
Der Präsident sagt langsam: »Meine Herren, ich verstehe nicht. Sie sind hierhergekommen, die Verhandlungen gingen gut, die Stimmung war vortrefflich. Die Verhandlungen standen vor einem glücklichen Abschluß. Da kommt dieser maßlose, häßliche Brief der Bauernschaft, und panikartig flieht alles. Was heißt denn das? Wer ist denn diese Bauernschaft? Sie fürchten sich ja vor einem Phantom. Fassen Sie, zum Besten unserer Provinz, jenen Entschluß, dem Sie vor einer halben Stunde ohne weiteres zugestimmt hätten, daß die landwirtschaftlichen Organisationen den Boykott mißbilligen – und alles ist gut.«
Der Landwirtschaftsrat antwortet mit gesenktem Kopf: »Gut. Ich will ganz offen sein. Vor einer halben Stunde hätte ich vielleicht diesem Entschluß zugestimmt. Aber als ich den Brief der Bauernschaft las, sah ich mit Schrecken: Worein mengst du dich? Ist die deine Sache?
Hängen Sie sich doch nicht an den häßlichen Wortlaut des Briefes, den irgendein Journalist aufgesetzt hat. Aufgesetzt, sage ich, denn gedacht, gefühlt ist er im Herzen von tausend Bauern. Die sind erregt, die sind beleidigt, die sind verletzt. Da helfen keine Beschlüsse, da hilft nur Zeit. Und eine sehr vorsichtige, sehr sichere Hand.
|399| Herr Regierungspräsident, wir hoffen, daß Sie diese Hand haben werden. Haben Sie auch die Geduld dazu.«
Der Landwirtschaftsrat Päplow, ein dicker, weißer Herr mit einem Rotweingesicht, steht einen Augenblick mit gesenktem Kopf. Dann verläßt er das Zimmer. Drei, vier Herren folgen ihm.
Der Regierungspräsident lächelt. Es ist ein hilfloses Lächeln. »Meine Herren, Sie sehen …«
Er macht eine Handbewegung. »Ich hätte Ihnen, meine Herren von Altholm, gerne geholfen. Aber vorläufig sehe ich nun wirklich auch keinen Weg.«
Ganz rasch: »Ich schließe die Besprechung.«
3
Herr Zeitungsbesitzer Gebhardt wird vom Bürgermeister Gareis unter Umgehung des Vorzimmers empfangen. Er ist hoher Besuch. Er ist wichtiger Besuch. Piekbusch hat ihn auf dem Flur abfangen und direkt ins Allerheiligste führen müssen.
Und der Bürgermeister ist ja auch nicht ungeschickt: Er bringt seinem Gast den körperlichen Gegensatz zwischen den beiden Verhandelnden gar nicht erst zu Bewußtsein. Es könnte den Zeitungskönig doch niederdrücken, irritieren, solch ein Gespräch eines Zweimetermannes mit einem Einsachtundvierziger. Nein, Gareis scheint lieber unhöflich, taucht kaum aus seinem Stuhl, schaut einen Augenblick in den strubbligen Nackenwirbel, und schon sind beide bequem installiert.
»Ich freue mich«, sagt Gareis lächelnd, »einem Zeitungsmanne auch einmal etwas Neues erzählen zu können. Herr Oberbürgermeister Niederdahl wird jetzt zurückkehren.«
»Jetzt«, wiederholt der Zeitungskönig. »Als er abreiste, sprach man, irre ich nicht, von einer Silberhochzeit.«
»Silberhochzeit ist manchmal das Abwarten, wo die stärkeren Armeen stehen.«
|400| »Zu denen man sich dann schlägt.«
Der Bürgermeister bestätigt: »Zu denen man sich dann schlägt.«
Ein Anfang ist gemacht, ein günstiger Anfang. Die beiden Herren haben sich in ihren Antipathien getroffen, was meistens wichtiger ist, als daß die Sympathien übereinstimmen.
Gareis nimmt den Faden wieder auf. »Mittlerweile ist noch gar nichts ausgemacht, wo die stärkeren Armeen stehen. Ich fürchte, die Versöhnungssitzung heute beim Präsidenten wird ein Mißerfolg sein.«
»Ich habe bessere Hoffnung.«
»Warten wir ab. Vielleicht kommt in wenigen Minuten der Bescheid.« Und er deutet auf das Telefon.
»Sie, Herr Bürgermeister, nehmen an der Sitzung nicht teil?«
»Nein, ich bin hier.« Und um
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