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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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glücklichere Hand hat als ein gewisser Gareis.
    Nun gut, aber die Stadt ist doch da: das Handwerk mit seinen Innungsmeistern, der Einzelhandel mit dem gewichtigen Herrn Manzow, die Fabrikanten mit ihrem Syndikus.
    Und nicht aufzuzählen ist, wer alles vom Lande kam. Da ist die Landwirtschaftskammer, vertreten durch einen Landwirtschaftsrat, zwei Ackerbauschuldirektoren, zwei Saatzuchtinspektoren.
    Da ist der Landwirtschaftliche Hauptverein: zwei Vorstandsmitglieder.
    Die Kreisbauernvereine gleich mit fünf Mann.
    Da ist die Wiesen- und Wasserbaugenossenschaft: zwei Mann.
    Die Landlehrer haben sich vertreten lassen, die Landgeistlichkeit, das Gastwirtsgewerbe auf dem Lande.
    Oh, dieser Assessor Meier kann außerordentlich tüchtig sein, er hat in den entferntesten Ecken noch Organisationen |391| erspäht, die man laden konnte. Wer hätte an den Verband Pommerscher Geflügelzüchter oder an die Ländlichen Hausfrauen gedacht? Er!
    Und ein Musterbeispiel vorsichtigen Abwägens, glänzender Formulierung war sein Referat über die juristischen und gesetzlichen Grundlagen für das Vorgehen der Polizei am sechsundzwanzigsten Juli.
    Fast noch besser, fast noch wirkungsvoller als die polizeitaktischen Erörterungen des Polizeiobersten Senkpiel.
    Er selbst, Herr Regierungspräsident Temborius, hat die innenpolitischen Voraussetzungen und Auswirkungen jenes Tages behandelt, nicht ohne Wirkung, scheint ihm.
    Alles ist in der loyalsten Weise besprochen, keine Gehässigkeit, keine Verbissenheit. Die bunten Glasfenster stehen offen im großen Sitzungssaal, Luft und Licht fluten herein, eigentlich sogar die ganze Welt, sozusagen, man steht hier der ganzen Welt gewissermaßen offen. Man hätte auch jede Frage gerne beantwortet, aber alles war so erschöpfend behandelt: Es wurde nichts gefragt.
    Nun hat man eine Pause eintreten lassen. Ehe man zum zweiten Hauptpunkt der Tagesordnung übergeht, der Bereinigung des Boykotts, gibt man den Herren, unter dem Vorwand einer Erholungspause, Gelegenheit, sich auszusprechen.
    So plaudern die Herren miteinander.
    Beispielsweise ist Manzow auf Dr. Hüppchen gestoßen, und siehe da, heute ist Manzow ein ganz anderer Mensch. Er hat da eine knifflige Steuerfrage, er hätte gerne den Rat seines lieben Doktors, aber nein, er denkt natürlich nicht daran, hier zu schnorren, er weiß, auch ein Volkswirt will leben, haha!, er wird in den nächsten Tagen Herrn Doktor ganz offiziell konsultieren. Und – er läßt es in der Ferne sehen – der Syndikus des Einzelhandelsbundes ist etwas überaltert … »Ja, mein lieber Herr Doktor, davon sprechen wir noch.«
    Es bleibt nicht aus, daß Dr. Hüppchen mit einer gewissen Rührung an Gareis denkt, dem diese Vorschläge zu danken sein dürften. Aber auf eine Erkundigung, wo denn Gareis |392| steckt, hört er zu seiner Überraschung wegwerfend: »Gareis? Der Dicke? Der ist doch längst tot!«
    »Tot …?«
    »Na, haben Sie denn nichts von dem Briefe des Regierungspräsidenten gelesen? Wenn das nicht tot ist …!«
    Der Ehrenobermeister der Bäckerinnung steht mit Superintendent Schwarz zusammen.
    »Das sieht ja alles ganz versöhnlich aus, nicht wahr, Herr Superintendent?«
    »Sicher. Der Friede siegt immer am Ende. Heute kommt es zu einem Abschluß.«
    Und Assessor Meier erlebt das Erstaunliche: – Sein Chef, der Regierungspräsident Temborius, klopft ihm auf die Schulter.
    »Gut gemacht, Meierchen, na, sehen Sie!«
    Assessor Meier weiß nicht recht, was er sehen soll, aber er lächelt erfreut.
    »Habe ich Ihnen nicht schon mal gesagt, es geht auch mit Ihnen in der preußischen Verwaltung? Warum sollen denn alle jüdischen Juristen Rechtsanwälte werden? Auch in der Verwaltung können wir Sie brauchen.«
    Assessor Meier stammelt etwas.
    »Sehen Sie«, ruft Temborius etwas erregt, »was ist das? Geht das von Ihnen aus? Haben Sie das gestattet?«
    »Nein, ich nicht. Ich weiß gar nicht …«
    »Inhibieren Sie! Inhibieren Sie sofort!«
    An der Saaltür steht ein Bengel, ein gewöhnlicher Bengel von vierzehn, fünfzehn Jahren, und verteilt Zeitungen.
    Es sind sorgfältig dreimal gekniffte Zeitungen, Zeitungen, die ihren Titel keusch auf der Innenseite bergen. Aber der Assessor ahnt Schreckliches.
    Er stürzt zu dem Jungen hin, durch die halbe Länge des Sitzungssaales läuft er im Trab. Und er ruft dabei: »Halt, Sie da! Wer hat Ihnen erlaubt, hier Zeitungen zu verteilen?«
    Der Junge schaut auf. Die meisten Zeitungen hat er schon an die Versammlungsteilnehmer

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