Bauern, Bonzen und Bomben
den ganzen Heimweg, daß er es dem Wenk gegeben hat. Wenn das mit den hundertfünfzig auch noch nicht wahr ist, bis zum Ersten ist es sicher wahr.
Er erzählt es auch Elise und den Kindern. Alle sitzen um den Tisch, er erzählt den ganzen Prozeß. Er malt auf, wo sie alle sitzen, die Richter und Schöffen, Staatsanwälte und Verteidiger.
»Hier hat Gareis gestanden, und dann hat er sich immer mehr gedreht, bis er dem Rechtsanwalt direkt ins Auge sah. Das ist ein Kerl, sage ich euch! Ganz ruhig, aber ein Fuchs: ›Was hat denn nun wohl im Geheimbefehl dringestanden, Herr Bürgermeister?‹ – Und Gareis hat richtig gestottert: ›Darauf verweigere ich die Aussage.‹ Ganz verlegen war er.«
»Papa«, ruft Hans. »Papa, in der ›Volkszeitung‹ hat aber gestanden, daß der Bürgermeister nur von der Regierung die Genehmigung haben will zur Aussage.«
»Das ist doch dasselbe, Hans. Das habe ich doch auch geschrieben.«
|530| Aber ein ungemütliches Gefühl überkommt Tredup. Doch gleich: »Und hier habe ich eine Karte für dich, Elise. Für morgen. Ich habe sie dem Gerichtsdiener abgeschnorrt.«
»Aber vormittags kann ich doch nicht, Max.«
»Gehst du eben nachmittags. Es ist nur schade, weil morgen vormittag wahrscheinlich Bürgermeister Gareis drankommt. Das wird sensationell.«
Aber Gareis weiß schon, daß er morgen noch nicht vernommen wird.
Man bäte aber, daß Herr Bürgermeister sich zur Verfügung des Gerichtes halte.
Und der Bürgermeister teilt mit, daß er stets auf dem Rathaus erreichbar sei, übrigens auch morgen gerne den Herrn Landgerichtsdirektor einmal gesprochen hätte.
Die Herren vereinbaren die Mittagsstunde.
Nun hätte Gareis neue Zeit zum Suchen, aber er sucht nicht mehr, er läßt auch Stein und Piekbusch nicht mehr suchen.
»Das mit dem Geheimbefehl ist Quatsch«, erklärt er, mißvergnügt in seinem Sessel hockend. »Man sieht doch jetzt schon, daß Temborius unter keinen Umständen will.«
»Wenn aber der Minister ja sagt?«
»Wo sich Temborius so hat, wird der Minister schon nicht ja sagen.«
»Ich weiß nicht …«
»Ach, meckern Sie noch, Stein. Ich hab dies ewige Meckern satt. Ganz Altholm kann nichts wie meckern, als wenn sonst nichts zu tun wäre! Aber diesem Schwein, dem Tredup, schlage ich doch einen über die Schnauze für seinen unverschämten Bericht.«
Zum zehntenmal glotzt der Bürgermeister auf das Zeitungsblatt, in dem er schon mit Rot- und Blaustift gewütet hat.
»Warte, mein Junge«, sagt er. »Warte nur. Ich war wohl wahrhaftig der einzige Mensch in Altholm, den du noch nicht verraten hast. Aber warte, morgen sollst du erleben, was das heißt, Gareis verraten.«
|531| »Tredup ist das größte Schwein von der Welt«, erklärt Stein sachlich. »Sie hätten sich nie mit ihm einlassen sollen.«
»Wenn ich«, erklärt der Bürgermeister, »nur mit Edelmenschen Umgang pflegen will, kann ich keine Politik treiben. Aber darum laß ich mich noch lange nicht von jedem Schwein annagen.«
|532| DRITTES KAPITEL
Tredups Ende
1
Nach dem Mittagessen am nächsten Tag nimmt Tredup seine Frau beim Arm, und sie gehen zur Verhandlung. Es ist noch viel Zeit. Tredup hat gedacht, daß Elise schon viel schwerfälliger im Gehen sei, aber sie geht unbehindert, rasch wie ein junges Mädchen.
So spazieren die beiden noch ein Weilchen im Park. Sie kommen so selten dazu, miteinander auszugehen, und heute ist der Tag schön. Der Himmel ist noch einmal tiefblau, die Oktobersonne meint es gut, die Bäume sehen herrlich aus in ihrem bunten Laub.
Sie gehen auf und ab, eine Weile reden sie von den Kindern. Dann macht Tredup Pläne, was sie alles anfangen wollen, wenn er erst dreihundertfünfzig Mark hat. Vielleicht gibt man Hans auf ein Gymnasium, er hat den Kopf dazu. Aber vor allem muß eine Rücklage geschaffen werden.
»Jeden Monat fünfzig Mark auf die Sparkasse. Dann brauchen wir nicht so ängstlich zu sein, wenn Gebhardt mal was in den Kopf bekommt. Und ein Radio wollen wir uns endlich auch anschaffen.«
Elise lacht. »Was du alles mit den dreihundertfünfzig beschicken willst, Max! Vor allem brauchst du einen Anzug und neue Schuhe.«
Tredup druckst. Es stößt ihm das Herz ab. Nun es gut geht, muß er auch gut sein.
»Elise«, stößt er hervor. »Elise!«
»Ja, Max?« fragt sie und sieht ihn an.
Es ist eine Weile still, sie sehen sich nur an.
|533| »Elise …«, fängt er wieder an und kann nicht weiter.
Aber sie hat schon verstanden. »Ich habe es immer gewußt,
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