Bauern, Bonzen und Bomben
liegt mir natürlich vollkommen fern, den anderen Herren von der Presse einen Vorwurf zu machen, ich weiß ihre exakte, vorzügliche Arbeit zu schätzen.
Mit um so mehr Nachdruck verlange ich Schutz gegen das unkontrollierte Geschmier eines Außenseiters. Ich bitte das Gericht, mich dagegen in Schutz zu nehmen.«
Gareis sieht den Vorsitzenden an, aber dieser hält den Blick gesenkt, schreibt irgendwas. So macht Gareis eine Verbeugung und verläßt den Saal.
»Au Backe! Gib ihm Saures. Das hat gesessen«, sagt Pinkus von der »Volkszeitung«.
Es kommt Bewegung in den Saal. Alle haben während der |536| Worte von Gareis wie angeklebt reglos auf ihren Stühlen gesessen. Nun rücken sie hin und her.
Tredup fühlt förmlich, wie sie ihre Blicke von ihm abnehmen, jetzt sehen sie sich untereinander an, tauschen, leise Worte: »Ja, der Blasse, Dünne ist es. Den hat er gemeint.«
Aber noch immer wagt Tredup nicht hochzusehen, er fühlt, es ist zu Ende mit ihm. Erst die Schande wegen der Bilder, dann die Verhaftung in der Bombensache, nun dies – er kommt nicht wieder hoch.
Er sieht doch auf … er muß aufsehen. Der Blick seiner Frau trifft ihn: Elise lächelt. Sie lächelt ihm zu mit den Augen, Mut machend, ich verlaß dich nicht. Sie hat, wie er früher sagte, alle Lichter angesteckt in den Augen, der ganze Weihnachtsbaum strahlt.
Tredup senkt den Blick. Ihm ist elend. Er fühlt, zehnmal lieber als dieser Blick von Elise wäre es ihm, wenn Stuff über den Tisch fort sagte: Na, olles Kamel, mach dir nichts draus. Heute dir, morgen mir. Grinse, Affe.
Aber Stuff schmiert.
3
Ganz hinten im Zuschauerraum hat Herr Heinsius, der große Heinsius von den »Nachrichten«, gesessen. Herr Heinsius ist inkognito hier, inoffiziell, vorne am Pressetisch sitzt ja Blöcker, schreibt den Bericht.
Herr Heinsius will nicht gern erkannt werden, er hat den breitkrempigen Filz tief ins Gesicht gezogen, den Kragen hoch. So sitzt er geduckt zwischen Altholmer Bürgern, hört, was die miteinander reden, lauscht auf die Stimme des Volkes und formt seine Meinung nach ihr.
Tredup gehört nun einmal zu den Menschen, die kein Glück haben. Heinsius, der in der zwölftägigen Verhandlung gegen die Bauern nur zweimal da ist, erwischt gerade die Attacke von Gareis gegen die »Chronik«.
Heinsius kann gar nicht schnell genug aus dem Saal kommen, |537| diesmal wartet er nicht einmal die Stimme des Volkes ab.
Während er die Straßen entlang Zu den »Nachrichten« eilt, wiederholt er sich immer wieder: Unwahre, unsachliche Berichterstattung. Geschmier eines Außenseiters.
Seine Wut steigert sich, natürlich haben die beiden das Engagement von Tredup ohne ihn gemacht. Er wird es ihnen zeigen, dem Trautmann und dem Gebhardt, wohin sie kommen ohne ihn. So ist es, er wird vor vollendete Tatsachen gestellt: Herr Tredup macht vorläufig die Arbeit von Stuff.
Und Heinsius hat einen Neffen, einen netten, schreibgewandten jungen Menschen. Auf dem Gymnasium hat er immer die Eins gehabt im Aufsatz. Gewissenloses Geschmier eines Außenseiters. Die sollen sehen, wohin sie kommen ohne ihn.
Er klopft nicht an, der untertänige Heinsius stürmt in das Büro des Chefs. »Herr Gebhardt! Ach Gott, Sie sind noch nicht angerufen worden? Sie wissen noch nichts? Gut, daß Sie auch hier sind, Herr Trautmann! Ich bin ganz atemlos, so bin ich gelaufen!«
Die beiden starren.
»Was in aller Welt ist los, Heinsius?« knurrt Trautmann.
Und der Chef: »Was ist denn das nun wieder?«
»Ja, am besten ist wohl, wir machen die ›Chronik‹ sofort zu. Ich weiß ja nicht, was Sie Herrn Schabbelt dafür gezahlt haben, mir wird so was nicht erzählt. Aber das Geld ist hin. Herr Gebhardt, das Geld ist hin.«
Gebhardt ist aufgestanden, legt den Zeitungskatalog von rechts nach links, von links nach rechts. »Ich ersuche Sie, Herr Heinsius, mir geordnet zu erzählen …«
Heinsius ist tief überrascht. »Aber hat Herr Tredup denn noch keine Meldung gemacht …? Das kommt davon, wenn man Außenseiter in solche Stellungen setzt. Ich gehe sonst wirklich nicht einig mit Gareis, aber diesmal hat er recht, wenn er dem Tredup gewissenloses, sensationslüsternes Außenseitertum vorwirft. Vor den Schranken des Gerichts, |538| Herr Gebhardt! Vor ganz Altholm! Vor Richters Verteidigung und Staatsanwaltschaft! Vor der Presse Deutschlands! Lügenhaftes, unsachliches Geschmier!«
Trautmann sagt knurrig: »Lassen Sie ihn schwätzen, Herr Gebhardt. Wenn wir nicht hinhören, erzählt er
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