Bauern, Bonzen und Bomben
Max. Du brauchst nichts zu sagen.«
Plötzlich ist er ganz eifrig. »Elise, ich wollte ja nicht schlecht sein. Es war ja nur, daß ich solche Angst hatte vor der Zukunft. Ich dachte immer, wir verbrauchen die tausend Mark so mit, und wenn es mal schlecht geht, haben wir nichts. Ach nein, das war es auch nicht … Ich weiß nicht mehr … Ich konnte und konnte einfach nicht …«
»Es ist ja gut, Max. Es ist ja gut. Reg dich doch nur nicht so auf.« Sie streichelt seine Hand immerzu. »Du hast es mir ja jetzt gesagt. Es ist schon gut.«
Und er, ganz eifrig: »Sobald ich Zeit habe, sobald der Prozeß vorbei ist, fahre ich und hole es dir. Du bekommst alles. Neunhundertneunzig Mark sind es. Denke dir!«
»Wir geben es auf die Sparkasse. Und dann sehen wir, daß wir ein nettes Geschäft kriegen, am besten nicht hier in Altholm. In Stargard oder Gollnow oder in Neustettin.«
»Aber ich kann doch nicht weg, wenn ich hier Redakteur bin.«
»Vielleicht gibst du es dann auf, wenn wir ein gutes Geschäft haben? Ich glaube, Max, es ist dir nicht gut. Bitte, sei nicht bös.«
»Wieso nicht gut? Ach, Elise, das war ja nur, als ich Annoncenwerber war. Jetzt …«
»Der Bürgermeister, Max!« stößt sie hervor.
Plötzlich kommt Gareis mit Stein um ein Gebüsch grade auf die beiden zu.
Tredup kann eben noch den Hut herunterreißen. Aber auf einen halben Meter Entfernung geht Gareis an den beiden vorüber, mit Stein sprechend, sieht sie nicht.
»Gott, was hat denn der Bürgermeister?« sagt Elise. »Man konnte ja ordentlich Angst kriegen, so sah er durch dich hindurch, Max!«
»Was soll er haben?« sagt Tredup. »Mucksch ist er wegen meines Artikels.
|534| Das gibt sich wieder. Heute nachmittag streich ich ihn ein bißchen raus, dann scheint wieder die Sonne.«
Aber er ist sehr blaß. Ihn friert.
2
Tredup hat seiner Frau einen guten Sitzplatz verschafft, in der dritten Stuhlreihe von vorne, gleich am Gang, so daß sie sofort weg kann, wenn ihr etwa übel wird. Dann hat er sich an den Pressetisch gesetzt und hantiert mit seinen Papieren. Er macht sich ein bißchen wichtig, aber das kann man schon, wenn so viele Leute hersehen.
Allmählich kommt dann das übliche Getriebe in Gang: Der Gerichtsdiener packt Akten auf, zwei Justizwachtmeister bringen die in Haft befindlichen Angeklagten, der Verteidiger taucht auf, verschwindet aber wieder.
Tredup und Elise sehen sich von Zeit zu Zeit an, er macht sie mit den Augen auf jede Veränderung aufmerksam. Dann lächeln sie.
Überraschend wie immer erscheint der Vorsitzende mit dem Beisitzer und den Schöffen. Die Verteidigung folgt auf dem Fuße. Alles steht auf. Dann kommen die beiden Staatsanwälte gestürzt. Und nun werden die Türen geschlossen.
Der Vorsitzende sagt hastig und mit unmutig vorgezogenem Gesicht: »Ehe wir mit der Zeugenvernehmung fortfahren, erteile ich Herrn Bürgermeister Gareis das Wort zu einer persönlichen Erklärung.«
Tredups Herz beginnt zu klopfen.
Von der Tür her kommt der Bürgermeister, dunkel und massig, er stellt sich vor den Richtertisch, aber halb schräg, mit dem Gesicht zum Pressetisch.
Tredup senkt den Kopf. Etwas Unaufhaltsames geht auf ihn zu.
»Ich habe …«, beginnt der Bürgermeister. Er hat ein Zeitungsblatt in der Hand, das halb entfaltet ist, auf das er böse |535| starrt … »Ich habe mir das Wort zu einer persönlichen Bemerkung erbeten. In einer hiesigen Tageszeitung, ich nenne sie beim Namen, in der ›Pommerschen Chronik für Altholm und Umgebung‹, ist über die gestrige Verhandlung, speziell über meine Aussage, ein Bericht erschienen, gegen den protestiert werden muß.
In seitenbreiten Überschriften heißt es da: ›Sensationelle Wendung im Bauernprozeß – Bürgermeister Gareis verweigert die Aussage …!‹
Ich stelle fest, ich habe die Aussage nicht verweigert. Es besteht Meinungsverschiedenheit darüber, wie weit meine Aussageerlaubnis von der Regierung reicht. Ist dieser Punkt geklärt, werde ich aussagen oder nicht aussagen, gemäß den Anordnungen meiner Regierung. Aussageverweigerung ist glatt erlogen.«
Tredup sieht das dicke weiße Gesicht mit den böse funkelnden Augen grade auf sich gerichtet. Er sieht daneben, wie bei den letzten Worten der Vorsitzende den gesenkten Kopf bewegt.
»Da keine Aussageverweigerung vorliegt, liegt auch keine sensationelle Wendung im Prozeß vor. Das ist die zweite Lüge.
Ich erhebe Protest gegen eine derart unwahrhaftige, unsachliche Art der Berichterstattung. Es
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