Bauern, Bonzen und Bomben
nachmittag nehme ich nur kleine Zeugen vor, unwichtiges Zeug. Sie können in Ruhe reisen, Herr Assessor.«
Aber Assessor Meier reist nicht in Ruhe. In seinem Abteil |527| zweiter Klasse sitzt er und grübelt, wie er seinem Chef erklären soll, daß der Gareis in allem die Regierung bloßgestellt hat, und bei
diesem
Geheimbefehl ist er abgeschnappt.
Er war ja richtig verlegen. Nun, vielleicht ist der Befehl wirklich starker Tabak gewesen. Temborius hat ihn damals mit Oberst Senkpiel gebraut. Aber um so besser müßte das doch Gareis passen. Nein, ich verstehe es nicht …
»Ich gebe noch lange nichts verloren«, erklärt Gareis entschieden zu Assessor Stein. Sie gehen eilig dem Rathaus zu. »Wozu denn
Geheim
-Befehl? Temborius wird schon wissen, wieso geheim. Der gibt mir nie die Erlaubnis zur Aussage.«
»Ich weiß doch nicht …«, meint Assessor Stein.
»Im ersten Augenblick dachte ich wirklich: Da bist du drin. Der Vorsitzende ist ein anständiger Kerl. Das mit der Aussageerlaubnis war die einzige Rettung.«
»Rettung?« zweifelt Stein. »Haben Sie eigentlich nicht das Gefühl, Herr Bürgermeister, daß diese ganze Sache mit dem Geheimbefehl reichlich mystisch ist?«
»Bestellte Sache, meinen Sie? Glaube ich auch. Verschwindet, keiner weiß davon, aber im rechten Augenblick weiß der Streiter doch davon. Glänzend übrigens, der Streiter, die Staatsanwaltschaft muß sehr einpacken.«
»Ich fand ihn nicht sehr glänzend. Mit solchen Pistolen kann jeder schießen.«
»Aber jeder hat nicht solche Pistolen. Nun kommt es nur darauf an, ob nicht das Englein, nämlich Temborius, auf die Zündpfann brunst.«
»Versteh ich nicht.«
»Das wissen Sie nicht, Steinlein? In irgendeiner Kirche hängt so eine schöne Darstellung von Isaaks Opfer. Mittelalter. Isaak ist auf den Holzstoß gebunden. Abraham steht mit einer Riesenreiterpistole vor ihm und will losdrücken. Aber oben auf einer Wolke steht das Englein und pißt auf die Zündpfanne. Und ein Spruchband geht darum: ›O Abraham, |528| o Abraham, dein Schießen ist umsunst, dieweil das Englein auf die Zündpfann brunst.‹«
Und der Bürgermeister summt vor sich hin: »O Streiterlein, o Streiterlein, dein Schießen ist umsunst, dieweil Temborius auf die Zündpfann brunst.«
»Ihre Laune möchte ich haben!« sagt neiderfüllt der Assessor.
Sekretär Piekbusch tritt ihnen entgegen. »Herr Bürgermeister, es ist eben vom Gericht angerufen: Sie brauchen heute nicht mehr zur Vernehmung zu kommen. Die Sache mit Stolpe dauerte noch. Sie bekommen wieder Bescheid.«
»Was sage ich?« triumphiert der Bürgermeister. »Temborius brunst. Und es ist ganz gut, daß er erst einen oder zwei Tage Gras über die Geschichte wachsen läßt. Dann ist die heutige Szene so gut wie vergessen.«
Er starrt vor sich hin. »Aber wir wollen die Zeit nutzen! Piekbusch, jetzt wird gesucht! Jetzt suchen wir drei Mann hoch.«
»Was suchen wir?«
»Den Geheimbefehl …«
Piekbusch schaut zur Decke. »Wo sollten wir den noch suchen Herr Bürgermeister?«
»Überall. Überall. Überall. Und morgen liegt er auf meinem Schreibtisch.«
Wenk freut sich: Die großen Überschriften haben ihre Wirkung getan. Zweihundertzehn Exemplare von der »Chronik« sind verkauft.
Das war noch nie da. Der Mann aus der Bahnhofsbuchhandlung hat viermal rübergeschickt, immer neue holen lassen.
»Max, eigentlich solltest du morgen früh vor der Verhandlung schnell noch auf ein paar Annoncen losgehen, jetzt kriegst du welche.«
Aber da kommt er bei Tredup schlecht an. »Du bist wohl |529| nicht ganz, he? Ich soll auf Annoncen losgehen, jetzt, wo ich Redakteur bin?«
»Wer soll es denn? Ins Haus bringen sie uns die doch nicht.«
»Ist Stuff auf Annoncen losgegangen? Also! Da muß eben jemand Neues engagiert werden.«
»Das sag
du
man dem Chef! Überhaupt hat Gebhardt mir gar nicht gesagt, daß du Redakteur bist.«
»Weil das selbstverständlich ist. Das kapiert jedes Kind, daß ein Redakteur nicht Anzeigen wirbt. Was sollen denn die Leute davon denken?«
»Die wissen doch, daß du immer geworben hast.«
»Und jetzt wissen sie, daß ich die Verhandlungsberichte schreibe. Außerdem habe ich keine Zeit.«
»Jetzt ist es sechs. Bis sieben könntest du gut und gerne noch drei, vier Anzeigen geholt haben.«
»Jetzt ist es sechs, und jetzt mache ich Feierabend. Tjüs ok, Wenk. Platz man nur nicht vor Neid. Gebhardt hat mir auch hundertfünfzig zugelegt!«
Damit ist Tredup zur Tür hinaus und freut sich
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