Bauern, Bonzen und Bomben
unbemerkt auf die Straße zu kommen. Ist er erst draußen, ist er auch schon dreiviertel gerettet.
Aber das scheint ganz unmöglich. Fast pausenlos laufen die Füße über ihm. Banz wird das Warten zu langweilig, er geht den Gang zurück – hört Arbeiten an der eisernen Tür –, sieht in die einzelnen Räume und kommt so schließlich in den Fahrradkeller.
Hier hat er, was er sucht: Hier geht eine Tür nach außen, eine Treppe führt in den Vorgarten, und was das beste ist: Ein einsames Rad steht im Keller. Es ist wohl das Rad vom Hausmann.
Die Kiepe läßt Banz stehen, das Rad nimmt er, schließt rasch auf, führt es die schräge Bahn zur Straße, und noch auf dem Bürgersteig hockt er schon darauf.
Auf der Straße laufen Leute genug herum, und überall sieht Banz Schupo und Stadtsoldaten, aber die müssen ja wohl rein mit Blindheit geschlagen sein. Die haben eben das Bild von dem Banz, der vor dem Richtertisch stand, im Kopf und sehen sich diesen blauen Kohlenmann überhaupt nicht erst an.
Kurz darauf ist Banz auf der Stolper Chaussee. Er weiß, daß er seine Verkleidung und sein Rad nicht mehr lange benutzen kann. Bald merken die, daß die Sachen fehlen, und dann wissen alle Landjäger in einer Viertelstunde Bescheid, und sie schicken Autos und Motorräder auf die Jagd. Lange kann er sowieso nicht mehr radeln, die Flucht aus dem Saal war ein Gewaltstreich, nun läßt der kranke Körper nach, manchmal ist ihm schon ganz taumelig zumute, so daß er kaum die Lenkstange halten kann. Fünf Minuten weiter legt er das Rad hinter einen Busch und setzt sich daneben. Er ist noch gar nicht weit fort aus Altholm, grade erst durch Grünhof, aber er |554| kann nicht mehr. Mögen die ihn doch kriegen, die Hunde! Er wird das Messer nehmen und dann Schluß, adieu, fort damit.
Hinter seinem Busch drusselt er ein.
Nicht lange, ist er wieder wach. Die Kälte vom Boden hat ihn geweckt. Aber jetzt ist er frisch, nicht gesonnen, sich denen in die Hände zu geben. Er überlegt, welchen Bauern er hier in der Nähe kennt, aber es fällt ihm niemand ein als Vadder Benthin. Und ob der hülfe, ist sehr fraglich, der ist ein Weib in Hosen. Außerdem müßte Banz dann nach Altholm zurück, und für Altholm hat er keine Meinung mehr.
Die Straße, die er durch das lockere Gebüsch sieht, ist wenig belebt. Es mag vier sein, auch eine Viertelstunde später. Anderthalb Stunden ist er also ungefähr weg. Die suchen ihn nicht mehr hier, die erwarten ihn jetzt auf der Station in Stolpermünde oder auf seinem Hof. Na, mögen sie warten!
Ein Lastauto fährt im Sechzigkilometertempo vorbei. Bis oben ist es vollgepackt mit leeren Fischkästen. Das ist eines von den Autos, die von den Heringskommunen an der Küste nach Stettin fahren. Vielleicht kommt das Stolpermünder auch?
Es ist jetzt die Zeit, wo die Autos vom Fischmarkt zurückkommen.
Eine ganze Reihe läßt Banz vorbei, weil er den Chauffeur nicht kennt. Dann fällt ihm ein, daß er mal wieder ein Kamel ist, ein unbekannter Chauffeur ist besser als ein bekannter.
Banz sticht nachdenklich mit seinem Messer in den Hinterschlauch, die Luft pfeift, als er das Messer auszieht. Dann steht er neben seiner Karre auf der Chaussee.
Als das nächste Fischauto kommt, winkt er recht tüchtig, und als der Chauffeur nicht halten will – denn die wollen alle bis sechs zu Haus sein –, tritt er ihm mitten in die Fahrbahn. Der bremst so scharf, daß es das Auto halb rumreißt, gerät dabei auf den Sommerweg, und der ganze Kistenaufbau kommt ins Wanken.
Der Chauffeur, ein Dreißiger, fängt zu fluchen an: »Du gottverfluchter Hund, du, mit dir spielen sie wohl! Wenn ich dich über den Haufen fahre, ist das nicht mehr, wie recht ist!«
|555| »Bis Stolpe kannst du mich mitnehmen«, sagt Banz gleichmütig. »Du siehst doch, ich mache Plattfuß.«
»Was geht mich deine Karre an«, flucht der Mann. »Lauf doch, Idiot, dämlicher.«
»Fünf Mark sollst du kriegen!« sagt Banz und hält sich immer direkt vor den Rädern des Autos.
»Ich pfeife auf deine fünf Mark«, flucht der Mann. »Das kennt man. Wenn wir in Stolpe sind, hältst du mir deinen Hintern hin: Tritt mal rein, Bruder, Geld habe ich nicht.«
»Hier«, sagt Banz und hält den Silberfünfer hoch. Und erklärend: »Es ist doch, daß mein Kleiner die Rose hat, und ich muß die Pusteweiber bestellen.«
Der Mann brummt vor sich hin. »Wo sollen wir denn deine Karre lassen? Du siehst doch, ich habe voll.«
»Schmeißen wir oben rauf.«
»Dann
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