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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Aussageverweigerung geschrieben hatte, heftig angegriffen. Sie
hatten
die Aussage verweigert. Ja, mehr als das.«
    Der Bürgermeister schweigt.
    »Sie haben«, fährt der Vorsitzende fort, »fälschlich den Eindruck erweckt, als sei der Geheimbefehl besonders wichtig, enthalte besondere Anordnungen gegen die Bauern.«
    »Diese Möglichkeit besteht auch heute noch.«
    |580| Der Vorsitzende sagt scharf: »Das ist eine Vermutung von Ihnen, Herr Bürgermeister. Wir wünschen keine Vermutungen von Ihnen zu hören, sondern Tatsachen. Zu den von Ihnen beschworenen Eidespflichten gehört die, nichts zu verschweigen, nichts hinzuzusetzen. Der Gerichtshof wird prüfen müssen, ob diese Eidespflicht nicht von Ihnen verletzt wurde.«
    Der Bürgermeister bewegt leise den Kopf.
    »Ich möchte im Augenblick von einer weiteren Vernehmung absehen. Ich bitte Sie, sich zur Verfügung des Gerichtes zu halten.«
    »Ich bin jederzeit in meinem Amtszimmer erreichbar.«
    »Das genügt.«
    Der Bürgermeister will gehen, als Justizrat Streiter sagt: »Ich bitte noch um ein Wort, Herr Landgerichtsdirektor. – Der Zeuge hat vorhin angedeutet, ich
kennte
vielleicht die Gründe seines ungewöhnlichen Zögerns, die ihn abhielten, über den Geheimbefehl auszusagen. Ich bitte, den Zeugen zu befragen, was er mit diesen Worten gemeint hat.«
    Der Vorsitzende: »Bitte, äußern Sie sich, Herr Bürgermeister …«
    Und Gareis: »Wenn ich derartiges gesagt habe, was mir nicht erinnerlich ist, so bitte ich es mit meiner Erregung zu entschuldigen. Ich habe mir nichts dabei gedacht. Es war reine Abwehr.«
    Und der Verteidiger, mit aller Schärfe: »Ich bitte, doch den Zeugen auf das völlig Unzulässige solcher Insinuationen hinzuweisen. Ich muß mir Strafantrag gegen den Zeugen vorbehalten.«
    Gareis senkt den Kopf.
    Der Oberstaatsanwalt erhebt sich. »Auch wir behalten uns Strafanträge gegen den Zeugen vor.«
    Stille. Der Blick von Gareis sucht Stein, aber, da er ihn findet, hat der Freund das Auge gesenkt, sieht ihn nicht an.
    »Sie sind vorläufig entlassen, Zeuge«, sagt der Vorsitzende.

    |581| 4

    Bürgermeister Gareis tritt hinaus in den Vorraum der Turnhalle.
    Hier stehen Zeugen herum, zwei Schupos, der Garderobier. Alle starren ihn an. Dann hilft ihm der Garderobier mit einer ängstlichen Beflissenheit in den Mantel.
    So werden mich die nun ewig anglotzen hier in Altholm. Verlegen beflissen.
    Aber schon auf der Straße korrigiert er sich: Nur in den ersten Tagen. Dann werden sie frech. Wo ein Aas ist, sammeln sich die Raben.
    Er geht gegen den Burstah zu.
    Dem Tredup muß ähnlich zumute gewesen sein, als ich ihn ankotzte. Armes Luder. Man vergißt in der Macht, wie einem Machtlosen zumute ist, wenn auf ihm herumgetreten wird. Armes Luder.
    Der Bürgermeister beschleunigt seinen Schritt. Der Wind jagt Regen in sein Gesicht. Er drückt den Hut fester in die Stirn, aber als er in den Burstah einbiegt, geht er nicht dem Rathaus zu, sondern fort von seinem Amtszimmer, nach der andern Seite, gegen den Bahnhof hinauf.
    Er kommt an einem Zigarrenladen vorbei, dreht um und tritt rasch ein. »Fünf Brasil zu zwanzig. Ja, die da. Ein richtiger Kotzbalken.«
    »Kotzbalken, vorzüglich, Herr Bürgermeister.« Der Kaufmann dienert und lacht.
    Wirst morgen nicht mehr dienern, Freundchen, denkt der Bürgermeister. Und laut: »Ein Adreßbuch, bitte!«
    Er schlägt eine Adresse nach und geht weiter. Bei der Stolper Straße biegt er ein, folgt ihr. Vor Nummer 72 macht er halt. Mustert das Haus. Der Gemüsehändler in seinem Laden gibt mürrisch Bescheid, daß Tredups hinten auf den Hof raus wohnen. Er sucht sich den Weg, klopft an die Tür.
    Eine Stimme ruft: »Herein!«
    Es ist ein Armeleutezimmer, in das er tritt, das einzige |582| Zimmer, das diese Leute haben. Gareis übersieht es mit einem Blick. Hier steht alles: das Spielzeug der Kinder, das Geschirr, die Waschwanne, die Nähmaschine, vierzehn Bücher, ein Fahrrad, ein Sack mit Kartoffeln, Betten.
    Auf einem Bett hat die Frau halb gelegen, die jetzt aufgestanden ist und schweigend den Besucher von der andern Zimmertür her mustert.
    Selbst dem Bürgermeister fällt es auf, wie sehr sich diese Frau, die er vor ein paar Monaten einmal sah, veränderte: Strähnig fällt das Haar in ein bleiches, faltiges Gesicht. Die Mundpartie ist so stark geworden, die Zähne scheinen unter den dünnen, blutleeren Lippen angeschwollen zu sein.
    »Sie sehen blaß aus, Frau Tredup«, ruft er. »Was fehlt Ihnen?«
    Die Frau

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