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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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fängt an zu pfeifen. Bricht ab. Dann: »Das ist dumm. Dieses Lied hat zwei Verse, einen vom Unterland, einen vom
Ober
land.«
    Er sieht seinen Chef abwartend an.
    »Sie meinen?« sagt der überrascht.
    »Nun ja, das Oberland muß sich auch einmal wieder rühren. Aber …«
    Das Telefon klingelt. Gareis nimmt ab, hört.
    »Also, Assessor, ich werde zur Vernehmung entboten. Sie kommen doch mit?«
    Und, als sie auf der Straße sind: »Es wäre doch ein verdammt murksiges Gefühl, wenn ich jetzt nicht wüßte, warum und wieso. Werde ich fein meine Aussage zu Ende führen, einigen Leuten auf die Zehen treten, und dann pflanze ich mich in den Gerichtssaal ans Tischchen zwischen Meier und Röstel und höre mir die Sache mit an. Und wenn es noch einen Monat dauert, mein Hirn muß immer neue Beweise haben, daß die Menschen wirklich
so
doof sind.«
    »Gott sei Dank, daß Sie mit Berlin telefoniert haben.«
    »Hier kann ich wirklich sagen: Gott sei Dank!«

    3

    An der Tür des Gerichtssaals trennt sich Gareis von Stein. Stein schlüpft in den Zuhörerraum, während Gareis noch warten muß: Es wird grade ein anderer Zeuge vernommen. |573| Stein hört ein wenig gelangweilt zu. Es ist doch immer dieselbe Geschichte; daß die es nicht müde werden!
    Dann erklärt der Vorsitzende: »Wir werden nun erst die Vernehmung vom Herrn Bürgermeister Gareis abschließen«, und alles wendet aufmerksam den Kopf gegen die Tür.
    Man hört den Gerichtsdiener draußen rufen, nun geht die Tür auf, und Gareis tritt ein. Einen Augenblick bleibt er auf der Schwelle halten und überschaut den Saal.
    Da steht er. Er ist der Bürgermeister Gareis, Polizeiherr von Altholm, Dezernent auch für Wohlfahrtswesen, Wohnungswesen, Verkehr und die städtischen Anstalten. Ein großer Mann. Nun schreitet er langsam und würdevoll gegen den Richtertisch vor, er macht halt an ihm, direkt vor dem Vorsitzenden, und neigt ein wenig den Kopf. Der Gruß eines Potentaten, verbindlich, höflich, doch schon der Gruß sagt: Zufrieden bin ich nicht mit eurer Art, Prozeß zu führen.
    Das Publikum (nebst Stein) sieht ihn von hinten. Einen ungeheuren schwarzen Rücken mit einem wohlgeformten massigen Schädel darüber. Sein linkes Profil gehört den Angeklagten, der Verteidigung und dem Regierungstisch, sein rechtes der Staatsanwaltschaft und der Presse.
    Der Vorsitzende dankt höflich mit Haupt und Hand für den Gruß. Dann sagt er ein paar verbindliche Worte: »Wir haben bedauert, Herr Bürgermeister, Sie so lange von den Verhandlungen haben fernhalten zu müssen, denen Sie als Polizeiherr sicher gern beigewohnt hätten. Aber der Entscheid aus Stolpe über den Umfang Ihrer Aussageerlaubnis ist erst heute morgen eingetroffen. Heute morgen um zehn Uhr. Ich habe Sie sofort benachrichtigen lassen.«
    Gareis neigt den Kopf und wartet in untadeliger Ruhe.
    »Sie sind, Herr Bürgermeister, bereits bei Ihrer ersten Vernehmung vereidigt worden. Dieser Eid gilt auch für Ihre heutigen Aussagen.
    Der Zweifel, wie weit Ihre Aussageerlaubnis durch die Regierung reichte, erhob sich anläßlich einiger Fragen, die Ihnen von der Verteidigung vorgelegt wurden. Ihnen war am |574| Vormittag des Demonstrationstages ein Geheimbefehl des Regierungspräsidenten überbracht worden, der nur dann zu öffnen war, wenn Sie von der Schupo Gebrauch machten.
    Sie haben die Schupo eingesetzt, den Geheimbefehl geöffnet …«
    »… Öffnen lassen.«
    »Haben ihn öffnen lassen.«
    Pause, lächelnd: »Was enthielt nun dieser Geheimbefehl?« Gareis sagt langsam: »Wie, bitte?!«
    »Ja. Hier ist die Entscheidung der Regierung. Ihnen wird volle Aussageerlaubnis erteilt. Für jede an Sie gerichtete Frage. Einschließlich des Geheimbefehls. Ja.«
    Zum erstenmal sieht Stein seinen Herrn und Meister die Fassung verlieren. Der Bürgermeister steht da, er sieht hierhin, dorthin, tritt von einem Bein aufs andere. Schließlich sagt er mit einer seltsam verwirrten, leisen Stimme: »Ich verstehe das nicht. Die Regierung hat … Nein, hier muß ein Irrtum vorliegen … Ich bitte doch …«
    Auf die Gesichter, die sich ihm alle entgegenheben, legt sich ein gespannter, verkniffener, ungeduldiger Zug. Der Verteidiger, der zurückgelehnt in seinem Stuhl dasaß, ist aufgestanden, kommt Schritt um Schritt lautlos näher. Die beiden Staatsanwälte neigen die Köpfe zueinander, flüstern. Im Zuhörerraum ist es vollkommen still.
    »Ich bitte doch …«, sagt der Vorsitzende und reicht dem Bürgermeister ein Blatt. »Wenn Sie

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