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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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sieht ihn an.
    »Ja«, sagt der Bürgermeister, »ich hätte gerne einmal Ihren Mann gesprochen.
    Ich hätte ihm etwas zu sagen.«
    Die Frau antwortet nicht.
    Der Bürgermeister wartet geduldig. Dann fragt er: »Ihr Mann ist nicht da?«
    Aber die Frau antwortet noch immer nicht. Sie starrt ihn bloß an, unverwandt, ohne Blinzeln.
    »Sie sind«, sagt der Bürgermeister, »natürlich böse auf mich, Frau Tredup. Ihr Mann wird Ihnen erzählt haben – darum bin ich hier. Wir sind nicht immer Herr unserer Nerven. Ich war ungerecht, ich komme, es Ihnen zu sagen.«
    Die Frau sieht ihn wartend an.
    »Was ich etwa tun kann, ihm zu helfen, soll geschehen. Ich habe gehört, er hat seinen Posten verloren. Das tut mir leid. Ich will gerne …«
    Aber die Frau sagt nichts.
    Der Bürgermeister ist halb entmutigt. »Sie sollten mir eine Möglichkeit geben, mit Ihrem Mann zu sprechen. Wenn Sie mir nicht verzeihen wollen, ist es Ihre Sache. Aber vielleicht will Ihr Mann …«
    Die Frau kommt langsam durch die ganze Breite des Zimmers |583| auf ihn zu. Sie geht leise, auf Zehen, als dürfe sie etwas, das schläft, nicht stören. Vor dem Bürgermeister, der sie aufmerksam ansieht, bleibt sie stehen und flüstert: »Ich warte …«
    Der Bürgermeister fürchtet sich nicht, aber er fühlt sich ungemütlich. Er fragt: »Ja?«
    »Er ist noch immer nicht gekommen«, sagt die Frau.
    »Er ist fort?« fragt, wie angesteckt, ebenso leise der Bürgermeister.
    »Ich warte seit dem Abend.«
    »Und er ist nicht wiedergekommen?«
    »Nein. Und er kommt nicht wieder.«
    Der Bürgermeister sieht die Frau prüfend an. »Wie lange haben Sie nicht geschlafen, Frau Tredup?« fragt er. Und als sie nicht antwortet, nimmt er sie beim Arm und führt sie gegen das Bett.
    Sie folgt ihm willenlos, ihr Gesicht verzieht sich wie das eines Kindes, das weinen will. Er hebt sie hoch und legt sie auf das Bett. Er legt eine Decke über sie.
    »Schlafen Sie jetzt, Frau Tredup«, sagt Gareis. »Er kommt wieder.«
    Sie bewegt noch die Lippen, will widersprechen, und schon schläft sie.
    Der Bürgermeister sieht eine Weile auf sie nieder, dann geht er auf Zehenspitzen aus dem Zimmer.

    5

    Gareis tritt wieder auf die Straße. Der Besuch hat ihn nicht fröhlicher gemacht. Tredup verschwunden – nun ja, also wegen solcher Sachen verschwinden Leute.
    Er wird ja wiederkommen, sagt er sich.
    Er kommt nicht wieder, sagt die tonlose Stimme der Frau.
    Der Bürgermeister ist in Gedanken verloren die Stolper Straße weitergegangen, aus der Stadt hinaus. Er kommt über die Bahn fort. Zur Rechten liegen nun die großen, häßlichen, |584| verqualmten Hallen des Eisenbahnausbesserungswerkes, zur Linken die ebenso häßlichen Arbeiterhäuser der Reichsbahn. Dann kommen Felder, verwahrloste, regentriefende Felder.
    Und nun scheint die Stadt wieder anzufangen, es ist aber nicht mehr Altholm, sondern Grünhof.
    »Mendels Gasthof Zur Schießstätte. Zwei Salonkegelbahnen. Großer Schießstand.«
    Hier wartete die Schupo. Na ja. Na also. Ich könnte auch einmal an etwas anderes denken.
    Vor ihm liegt eine Autobushaltestelle. Grade ist ein Autobus angekommen, der nach der Stadt zu fährt. Sechs, sieben Leute haben ihn erwartet, darunter eine Uniform. Aber sie steigen nicht ein, im Gegenteil, ein paar Leute steigen aus.
    Geschimpfe beginnt.
    Gareis geht schneller.
    Die Leute sind in einem hitzigen Wortwechsel, die Uniform, jetzt im Wagen, antwortet barsch und grob. Der Bürgermeister erkennt seinen Polizeimeister Kallene.
    Grade will der Wagen losfahren, beladen mit den Flüchen der Zurückbleibenden, als Gareis auftaucht und dem Chauffeur Halt winkt.
    »Was ist hier los?«
    Einen Augenblick Stille.
    Dann schreien zehn Stimmen auf einmal: »Das ist eine Gemeinheit, Herr Bürgermeister!«
    »Ich lasse mich nicht raussetzen.«
    »Ich habe mein Fahrgeld bezahlt.«
    »Sich selber reinsetzen, das könnte ihm so passen.«
    »Das sind die Herren von der Polizei. Wir haben natürlich keine Rechte.«
    »Ruhe«, sagt der Bürgermeister. »Was ist los, Polizeimeister?«
    »Der Wagen ist für zwanzig Fahrgäste zugelassen. Ich revidierte und stellte dreiundzwanzig fest. Da habe ich pflichtgemäß drei entfernt und den Chauffeur aufgeschrieben.«
    »Und setzt sich selber rein!«
    |585| »Der wiegt ja nichts. Die von der Polizei verhungern ja alle.«
    »Redet keinen Quatsch. Polizeimeister, raus mit Ihnen aus dem Wagen! Wir sprechen uns noch. Euch andern kann ich nicht helfen. Zwanzig ist Vorschrift, und

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