Bauern, Bonzen und Bomben
Alles in Klüten oder der Roggen ausgewachsen. Was?«
»Mehr als oft, Bürgermeister.«
»Und dein Nachbar da, wie heißt er? Harms? Also Harms hat auch schon mal Mist gemacht …«
»Das soll wohl angehen.«
»Und der hat trotzdem seinen feinen garen Acker gekriegt und den Roggen trockener rein als du?«
Harms protestiert: »Nee, Bürgermeister, das ist nun …«
Aber die andern: »Recht hat er. Du kannst Ostern zu Pfingsten feiern: Wenn wir Weihnachten haben, bist du auch soweit.«
»Seht ihr«, sagt der Bürgermeister. »Manchmal hat man Glück, und manchmal hat man keins. Der Frerksen, der hat diesmal naß gepflügt, und es geht ihm doch glänzend, und ihr habt alles getan, wie es sich gehört, und sitzt im Schiet.«
Die Bauern betrachten ihn geruhsam, ihren Elefanten.
»Und weil ihr nun mal an den lieben Gott glaubt – ihr sagt’s wenigstens euerm Pastor, wenn ich euch auch alle für olle Heiden halte –, weil ihr aber nun mal den lieben Gott habt, so müßt ihr euch damit trösten, daß der es dem Frerksen und dem ganzen altholmschen Babylon schon besorgen wird, wenn nicht anders, dann beim Jüngsten Gericht. Aber |591| das versteh ich nicht, daß ihr zur Strafe für die Sünden von uns Bonzen auch noch die Eier und die Butter billiger verkaufen sollt.«
»Bürgermeister«, sagt ein großer, finster aussehender Bauer. »Ich glaub keinen Augenblick, daß Sie für uns sind. Sie sind ein Schweinehund wie alle Roten. Aber Sie sind ein Schweinehund, mit dem man eine Sache bereden kann. Wenn es Ihnen wert ist, dann kommen Sie mal einen Abend zum Grog, und wir bereden den Kram.«
»Tu ich. Mach ich«, sagt der Bürgermeister.
»Aber bringen Sie keine andern mit. Kommen Sie allein. Wenn«, sagt der Bauer und grinst, »Sie keine Angst vor uns haben.«
»Schrecklich«, sagt der Bürgermeister und schüttelt all sein Fett.
»Ich sage weiter in den Dörfern Bescheid. Sie können ja ’ne Tour machen, und wir können bereden, was wir in der Sache verlieren und was Sie in der Sache verlieren.«
»Junge, Junge«, sagt der Bürgermeister, »Sie haben aber Mut. Erlaubt denn das Ihr Reimers?«
»Ich bin der Gemeindevorsteher Menken«, sagt der Bauer, »und ich weiß schon, wieviel Zentner ich auf den Boden tragen kann und was mir zu schwer ist. Der Reimers ist viel zu lange drin, der weiß nicht mehr, was hier draußen gespielt wird, wie die Herren auf der ›Bauernschaft‹ üppig geworden sind. Wir reden mit Ihnen, Bürgermeister, und wenn wir zu was ja sagen, dann ist es ja.«
»Jungens«, sagt der Bürgermeister und schaukelt vor Wonne den Bauch in der Hose, »nun kommt mit und trinkt im Krug einen Grog mit mir. Das ist hier ein betrübtes Stehen im Regen, und ich bin zufrieden, daß ich endlich mal wieder nach all dem Zank ein vernünftiges Bauernwort gehört habe.«
»Also trinken wir einen.«
Es wurden aber mehrere. Und als er dann durch die Dunkelheit nach Haus zurückstampfte, dachte der Bürgermeister: |592| Ich zurücktreten? Ich meinen Posten aufgeben? Mit Zähnen und Krallen halte ich mich dran.
Andere haben viel mehr Mist gemacht, Manzow, Niederdahl, Frerksen, alle. Ich werd’s aushalten, drei Wochen werden sie sich die Mäuler zerreißen, und dann haben sie’s über, dann wird losgearbeitet, und zu Weihnachten haben wir keinen Boykott mehr.
8
Der Bürgermeister macht also nach acht die Tür zu seinem Arbeitszimmer auf.
Natürlich ist alles dunkel, um diese Stunde ist kein Mensch im Rathaus.
Aber er will sehen, was die Post gebracht hat. Vielleicht liegt auch ein Zettel von Piekbusch auf dem Schreibtisch, daß ihn das Gericht gewünscht hat. Dann wird er zum Vorsitzenden gehen, heute abend noch, in die Wohnung von Fabrikbesitzer Thilse, und wird sich entschuldigen.
Auf der großen Eichenplatte des Schreibtischs liegt einsam und verlassen ein Brief.
Ein
Brief.
Während Gareis den Brief auffetzt, beginnen seine Nerven zu kribbeln. Er hat gestanden, nun setzt er sich.
Ein amtliches Schreiben:
»Stolpe, den 25. Juli. An den Herrn Polizeiverwalter der Stadt Altholm, Herrn Bürgermeister Gareis.
Persönlich. Geheimbefehl.
Mit dem morgigen Tage, morgens 9 Uhr, werden Ihnen zwei Hundertschaften der hiesigen staatlichen Polizei unter dem Kommando von Herrn Oberleutnant Wrede unterstellt mit der Maßgabe …«
Der Geheimbefehl! Der verschwundene Geheimbefehl.
Bürgermeister Gareis liest nicht weiter. Er schmettert den Brief auf den Tisch, stürzt an die Tür, brüllt wie ein Wilder in
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