Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
Vom Netzwerk:
…«
    Und verzweiflungsvoll, aber ergeben in sein Schicksal: »Bitte, Herr Justizrat …«
    |618| »Fräulein Herbert, ich bitte, uns doch zu sagen, hatten Sie bei diesem Zusammenstoß den Eindruck, daß die Polizei angriff oder daß die Bauern angriffen?«
    Die Zeugin ist voll Verachtung. »Und das fragen Sie nach alldem, was ich erzählt habe? Die Polizei hat natürlich angegriffen. Wie die Wilden haben sie angegriffen.«
    Justizrat Streiter sagt lächelnd:
» Ich
weiß das wohl. Aber es gibt noch immer einige im Saal, die es bezweifeln.«
    Der Vorsitzende: »Bitte, Herr Oberstaatsanwalt.«
    Der Oberstaatsanwalt fragt still und harmlos: »Ich bitte die Zeugin zu fragen, ob es ihrem Eindruck nach zu dem ganzen blutigen Zusammenstoß gekommen wäre, wenn die Bauern die Fahne freiwillig herausgegeben hätten?«
    Justizrat Streiter sagt rasch: »Ich beanstande diese Frage. Es handelt sich dabei um eine reine Hypothese, während meine Frage nach dem Gesamteindruck zielte, den die Zeugin auf Grund ihrer eigenen Beobachtungen gewonnen hatte.«
    Der Vorsitzende: »Ich habe keine Bedenken gegen diese Frage.«
    Und der Oberstaatsanwalt: »Ich bitte den Herrn Vorsitzenden, die Frage aufzunehmen.«
    Der Vorsitzende: »Also, Zeugin, glauben Sie, daß es auch zu dem blutigen Zusammenstoß gekommen wäre, wenn die Bauern die Fahne freiwillig herausgegeben hätten?«
    Ehe noch die Zeugin antworten kann, sagt der Verteidiger rasch: »Ich beanstande diese Frage wiederum und bitte um Gerichtsbeschluß.«
    Der Vorsitzende erhebt sich ergebungsvoll und verläßt, gefolgt von seinen Mannen, den Gerichtssaal. Allgemeine Unterhaltung setzt ein.
    Fräulein Herbert wendet sich zu den Angeklagten und schüttelt erst Henning, dann Czibulla die Hand. Der Gerichtsdiener protestiert.
    »Ein Staatsweib«, erklärt Stuff.
    »Ist ja gar keine Zeugin«, erklärt Pinkus. »Die hat ja gar |619| nichts beobachtet. Die spricht ja nur von Blut. Die ist ja hysterisch.«
    »Junge, Junge«, sagt Stuff. »Ich werde ihr mal erzählen, was Sie eben gesagt haben. Die wird Ihnen was beibringen von wegen hysterisch.«
    »Um Gottes willen«, sagt Pinkus und geht weiter nach hinten.
    Der Gerichtshof erscheint wieder, und der Vorsitzende verkündet: »Die Frage des Herrn Oberstaatsanwalts wird in folgender Form vom Gericht zugelassen: Hat die Zeugin nach ihrer Beobachtung die Polizei für so erregt gehalten, daß sie selbst bei Herausgabe der Fahne zugeschlagen hätte?«
    Fräulein Herbert will schon antworten, als der Oberstaatsanwalt sich erhebt und mühsam lächelnd erklärt: »Wir verzichten auf die Beantwortung der so formulierten Frage durch die Zeugin.«
    »Wenn dann also keine weiteren Fragen an die Zeugin zu richten sind? Fräulein Herbert, Sie sind entlassen. Sie können aber, wenn Sie wollen, im Zuhörerraum Platz nehmen.«
    Fräulein Herbert erklärt vernehmlich: »Nein, danke, habe genug davon«, und verläßt den Saal.
    Der Vorsitzende: »Gerichtsdiener, rufen Sie jetzt den Zeugen Polizeihauptwachtmeister Hart.«
    Alles setzt sich ergeben zurecht, Polizeiaussagen sind weder interessant noch beliebt.

    4

    Der Vorsitzende sagt: »Wie uns die Verteidigung mitteilt, wünschen Sie Ihre Aussagen noch in einem Punkt zu vervollständigen.«
    Doch der Hauptwachtmeister entgegnet: »Die Verteidigung? Nein.«
    Er sieht sich argwöhnisch nach Stuff um, doch Stuff nickt ihm freundlich zu und zwinkert mit den Augen. Dem Polizeimann |620| geht ein Licht auf, Stuff hat den Verteidiger irgendwie reingelegt, und er gibt zu: »Auch die Verteidigung. Meinethalben.«
    Der Vorsitzende sieht den Mann prüfend an, er merkt, hier stimmt etwas nicht, hier spielt mal wieder einer, wie ewig in diesem Prozeß, mit verdeckten Karten, und so fragt er nur: »Um was handelt es sich?«
    »Ich habe vor ein paar Tagen bei meiner Vernehmung erzählt, wie ich auf dem Stolper Tormarkt als Verkehrsposten gestanden habe. Wie da ein Bauer gekommen ist und mich gereizt und getriezt hat, daß ich am liebsten alle Bauern verhauen hätte.
Den
Bauern habe ich heute früh im Zeugenraum sitzen sehen.«
    »Einen Bauern?« fragt der Vorsitzende. »Da müssen Sie sich irren. Für heute ist nicht ein Bauer vorgeladen.«
    »Aber ich habe ihn doch sitzen sehen, einen dicken, dunklen Mann mit weißem Gesicht.«
    Der Vorsitzende denkt einen Augenblick nach. Er sieht den Verteidiger auf dem Sprunge zu reden, aber er weiß schon selber Bescheid. Ganz hübsch gemacht das, denkt er, der Streiter ist zehnmal so

Weitere Kostenlose Bücher