Bauern, Bonzen und Bomben
Angeklagte mit geballten Fäusten auf den Polizeioberinspektor los.«
Justizrat Streiter tritt dicht vor den Zeugen. »Ihre Darstellung stimmt auf keinen Fall. Von den zahlreichen Zeugen hat nicht einer bekundet, daß Henning die Fahne auch nur eine Minute losgelassen hat. Deswegen kann er auch nichts von dem getan haben, was Sie hier vor Gericht behaupten.«
|611| Der Zeuge erklärt mit viel Ruhe: »Laienbeobachtungen sagen gar nichts. Laien können bei ihren Beobachtungen gar nicht unterscheiden, was an einer Handlung strafrechtlich wichtig und was unwichtig ist.
Ich habe genau gesehen, daß Henning die Fahne an einen Bauern abgegeben hat. Die Fahne ist dann noch durch drei oder vier Hände gegangen. Es ist hochinteressant, daß keiner der Zeugen beobachtet hat, was doch so klar zu sehen war.«
Der Vorsitzende bemerkt milde: »Ich muß Sie darauf aufmerksam machen, Herr Kommissar, daß Herr Henning bisher nichts beschönigt hat. Er hat ohne weiteres alles zugegeben, was ihm vorgehalten wurde. Herr Henning, haben Sie die Fahne etwa weitergegeben?«
»Ich habe die Fahne nie aus der Hand gegeben.«
Justizrat Streiter sagt nicht ohne Schärfe: »Es ist hochinteressant, die Aussagen des Herrn Kommissars zu verfolgen. Ich möchte folgendes erklären: Ich kenne denjenigen, der dem Oberinspektor den Säbel entrissen hat. Man hat es mir unter dem Siegel meiner Amtsverschwiegenheit mitgeteilt. Henning war es bestimmt nicht.«
Der Kommissar steht unerschüttert. »Es gibt bewußte Täuschungen, und es gibt unbewußte Täuschungen. Ich habe deutlich gesehen, wie der Angeklagte Henning die Fahne weitergegeben hat, den Säbel krummbog, den Inspektor schlug.«
Die Staatsanwaltschaft regt an: »Herr Frerksen ist im Saal. Vielleicht kann er hierzu aussagen.«
Der Oberinspektor nähert sich sachte dem Richtertisch. Der Vorsitzende sagt: »Sie haben ja bereits ausgesagt, Herr Oberinspektor, daß Sie sich an bestimmte Personen in dem Getümmel nicht erinnern können. Aber vielleicht können Sie sich daran erinnern, ob Herr Henning die Fahne weitergegeben hat oder nicht?«
Der Oberinspektor sieht sich zögernd um. Er blickt von einem Gesicht zum andern. Schließlich sagt er zögernd: »Ich kann nichts Bestimmtes sagen. Möglich ist es ja schließlich.«
|612| »Sie sehen«, sagt triumphierend der Kommissar, »auch Herr Oberinspektor leugnet die Möglichkeit nicht. Wenn Sie scharf nachdenken, Herr Oberinspektor, müssen Sie sich daran erinnern, daß Henning Sie an der Brust gepackt hat und schüttelte.«
»Wir erheben Einspruch gegen derartige suggestive Fragen«, erklärt die Verteidigung.
Und Frerksen sagt erschreckt: »Nein, das möchte ich nicht sagen. Ich weiß es nicht. Möglich ist es ja. Aber ich möchte es nicht sagen.«
Padberg hat sich auch bis an die Gruppe herangepirscht. Mit atemloser Spannung hat er von einem Gesicht zum andern gesehen. Nun sagt er erregt: »Herr Vorsitzender, es ist eine Riesendummheit von mir, aber das kann ich nicht anhören. Das ist ja unglaublich, was dieser Zeuge phantasiert.
Ich, Herr Kommissar, ich, kein anderer als ich habe dem Oberinspektor den Säbel entrissen. Und zwar habe ich das von hinten getan, von hinten habe ich ihm ums Handgelenk gegriffen, ihm das Handgelenk umgedreht, bis der Säbel aufs Pflaster fiel. Säbel entreißen! – Wer ist denn so dämlich und faßt in eine offene Säbelklinge?«
Allgemeine Erregung. Der Verteidiger hat sich auf Padberg gestürzt und redet tadelnd auf ihn ein. Unbewegt steht der Kommissar.
Der Vorsitzende sagt: »Es macht Ihnen alle Ehre, Herr Padberg, daß Sie sich nicht geschont haben. – Sie, Herr Kommissar, möchte ich doch bitten, bei Ihren Aussagen mit größter Vorsicht zu verfahren und dort, wo Ihre Erinnerung nicht ganz klar ist, lieber zu sagen:
Ich
weiß das nicht.«
Der Kommissar sagt ruhig: »Es sieht jetzt natürlich so aus, als wenn ich mich geirrt hätte. Aber ich habe mich natürlich nicht geirrt. Meine Darstellung des Sachverhaltes stimmt. Die Selbstbezichtigung des Angeklagten Padberg beweist gar nichts. Er hat sich dadurch eine milde Beurteilung gesichert, während sein Freund durch meine Aussage äußerst schwer belastet gewesen wäre.«
|613| Der Vorsitzende erklärt etwas erregt: »Ich bitte Sie doch, Herr Kommissar, die Bewertung der einzelnen Aussagen dem Gericht zu überlassen. – Wollen Sie in Ihrer Darstellung fortfahren. Die Angeklagten bitte ich, ihre Plätze wieder einzunehmen.«
Stuff grinst über den
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