Bauern, Bonzen und Bomben
Justizrat?«
»Danke, nein. Der Zeuge ist für mich erledigt.«
|623| 5
Am Schluß der Beweisaufnahme betritt der Sachverständige, Polizeimajor a. D. Schadewald, den Gerichtssaal.
Er ist ein dicker, kugeliger Herr mit blankpoliertem Rundschädel, auf dessen Wölbung drei Beulen, taubeneigroß, auffallen.
Der Vorsitzende sagt: »Der Sachverständige soll keinerlei Werturteil fällen. Er soll nur zur Instruktion des Gerichtes ausführen, wie er die Aufgabe, eine Fahne aus einem Demonstrationszug zu entfernen, gelöst haben würde. Dafür sind drei Fragen formuliert …«
Aber zuerst schildert der Vorsitzende kurz die Lage. Er tritt an die Schiefertafel.
»Hier ist das Lokal: das Tucher. Hier über Marktplatz, Burstah, am Stolper Torplatz vorbei, unter der Bahn fort, durch Villenstraßen dann geht der Weg des Demonstrationszuges, der etwa dreitausend Mann stark ist. Ihnen, Herr Polizeimajor, stehen etwa zwanzig Beamte kommunaler Polizei, die mit Polizeiknüppel, Säbel und Revolver ausgerüstet sind, zur Verfügung. Die Lage ist klar?«
Der Polizeimajor Schadewald sagt vernehmlich: Jawohl.«
Der Vorsitzende: »Ich stelle nun Frage Nummer eins: Scheint es notwendig und üblich, die Aufgabe der Wegnahme einer Fahne nach einem bestimmten Plane vorzunehmen?«
Der Polizeimajor Schadewald sagt vernehmlich: »Jawohl.«
Alles wartet mit Spannung, aber es erfolgt nichts weiter. Der Sachverständige hat Frage Nummer eins bereits seiner Ansicht nach erschöpfend beantwortet.
Der Vorsitzende: »Ich stelle Frage Nummer zwei: Wird der Führer zur Durchführung dieser Aufgabe seinen Beamten bestimmte Anweisungen erteilen?«
Der Polizeimajor Schadewald sagt vernehmlich: »Jawohl.«
Und wieder ist Stille. Alles ist verzweifelt. Gott, ein Sachverständiger, der sich nicht selbst gern reden hört, gibt es denn so etwas?
|624| Der Vorsitzende stellt die dritte Frage: »Wie wirkt das Verhalten des Führers, seine Ruhe und seine Erregung, seine klare oder unbestimmte Befehlsgabe auf die Truppe?«
Gutachter Polizeimajor Schadewald erklärt: »Je ruhiger der Führer, um so ruhiger die Truppe.«
Und verstummt wieder.
Die drei Fragen sind vorbei.
Der Vorsitzende lächelt, etwas verlegen, etwas hilflos.
Dann: »Herr Major, ich muß zu der Frage zwei nun doch noch eine Zusatzfrage stellen. In welchem Umfange würden Sie als Führer Ihrer Truppe Befehle erteilen? Welche Befehle würden Sie erteilen?«
Der Sachverständige tut seinen Mund auf und spricht: »Zuerst muß ich wissen,
wo
ich die Fahne wegnehmen will.
Natürlich an der schmalsten Straßenstelle, denn dort kann ich den Zug am leichtesten zum Halten bringen. Also niemals Stolper Tormarkt, sondern« – er zeigt auf die Tafel – »unterer oder oberer Burstah.
Dann teile ich meine Leute ein.
Acht Mann müssen eine Sperrkette über die Straße bilden. Sie haben den Zug aufzuhalten, aber möglichst den Fahnenträger, eventuell auch einige seiner Freunde, passieren zu lassen, damit er vom Zug isoliert wird.
Fünf weitere Beamte sind der Stoßtrupp. Zwei bekommen den Befehl, den Fahnenträger, wenn er auf meine Aufforderung hin die Fahne nicht herausgeben will, am rechten und am linken Arm zu fassen. Widersetzt sich der Fahnenträger, so haben sie von ihrem Polizeiknüppel Gebrauch zu machen. Sonst kommt Waffengebrauch nicht in Frage.
Die drei andern haben nur einzugreifen, wenn die mitpassierten Freunde des Fahnenträgers tätlich werden wollen.
Der Rest der Mannschaft ist meine Reserve.
Vorher habe ich mir ein Auto besorgt, mit dem die fortgenommene Fahne sofort den Demonstranten aus dem Auge geschafft wird.
Sobald ich die Fahne habe, kommandiere ich: Sammeln. |625| Die Sperrkette rollt sich auf, und der Zug kann weitermarschieren.«
Schluß. Ende. Alles rückt zurecht.
Gewiß, das ist klar, jeder versteht es, so wäre nichts geschehen. Der Vorsitzende fragt nachdenklich: »Ist denn immer Zeit, so detaillierte Anweisungen zu erteilen?«
Und der Sachverständige: »Der Weg ist doch lang, die Leute marschieren fast eine Stunde,
ich
kann mir ja die Stelle aussuchen.«
»Noch eine Frage: Würden Sie mit Ihren Mannschaften dem Zuge entgegengehen oder sein Herannahen abwarten?«
Und der Sachverständige: »Abwarten. Unbedingt abwarten. Lieber später eingreifen, aber genau instruieren.«
Der Vorsitzende sagt: »Ich habe keine Frage mehr an den Herrn Sachverständigen.«
Weder Verteidigung noch die Staatsanwaltschaft rühren sich. Der Polizeimajor a. D.
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