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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Vordersten zurückzutreiben, die doch immer wieder von den Hinteren vorgedrückt werden.
    Mit erhobenen Händen, mit vorgehaltenen Stöcken schützen sich die Bauern gegen die Schläge, versuchen sich an den Hauswänden entlangzudrücken, um die freien Ausgänge nach |190| der Grünhofer Straße zu erreichen, und werden immer wieder zurückgedrängt, mit neuen Schlägen zu neuen Schlägen.
    Banz stößt einen Wutschrei aus. Das ist der Staat! Das ist dieser Staat, da sieht man ihn, so hat er ihn sich immer gedacht.
    Bluthunde! denkt er. Bluthunde! Sinnlos eintrommeln auf Wehrlose.
    Banz ist schon viel weiter. An der Straßenseite hat er einen riesenhaften Polizisten aufs Korn genommen, der mit seinem flachen Säbel auf die Köpfe der Leute von oben eindrischt, wobei er immer wieder den sinnlosen Ruf: »Straße frei!« ausstößt.
    Er ist schon ganz nahe an ihm, erreicht ihn von hinten, den umgedrehten Knüppel in der Faust. Da dünkt es ihm feige, den Mann von hinten niederzuschlagen, er versetzt ihm einen kräftigen Tritt gegen das Schienbein.
    Der Polizist fährt herum, sieht ihn wild an. »Straße frei!« blökt er.
    »Straße frei!« höhnt Banz zurück. »Du Bluthund! Straße frei …«
    Und trifft ihn mit der Stockkrücke gegen die Schläfe, daß der Mann, mit hocherhobenen Armen, sich wild um die eigene Achse dreht und dann krachend niederstürzt.
    Seltsam ernüchtert schaut Banz auf ihn nieder. Er sieht auf die Gesichter um sich, durch einen leichten Schleier bemerkt er, daß sie ihn anschauen, wie vorwurfsvoll.
    »Na ja«, murmelt er, »das hätte er auch nicht tun sollen, das mit dem Säbel.«
    Und schleicht fort, gegen die Gastwirtschaft von Tante Lieschen zu.
    Ich werde mich, denkt er bedrückt, hier nicht mehr einmengen. Ich werde ein Glas Bier trinken.
    Er hebt den Fuß, um ihn auf die erste Stufe zu setzen. Der Lärm, das Toben sind hinter ihm.
    Da trifft ihn etwas mit voller Schärfe, dringt in sein Hirn wie ein glühendes Eisen. Feurige Funken wirbeln, und er stürzt vornüber mit zerschlagenem Schädel.

    |191| 9

    Das Postamt Altholms liegt am Burstah, in nächster Nähe des Stolper Torplatzes. Sein Souterrain ist hoch, und in zwei Absätzen führt eine Außentreppe zu den Schalterräumen hinauf.
    Auf dieser Treppe stehen zur Stunde des Kampfes dicht gedrängt Neugierige, blicken über das Gewoge und erleben was. Auch im Schalterraum steht es dicht an dicht, man hat die Fenster zur Straße geöffnet und schaut hinaus. Diskutierend, erregt, spricht alles durcheinander, Postbeamte und Publikum.
    Zum Publikum gehört auch der ländliche Mann mit dem Gamsbarthut, den er übrigens jetzt abgenommen hat. Der geheime Gesandte der Regierung in Stolpe hat den günstigsten Platz erobert, mit dem halben Leib liegt er zum Fenster hinaus und sieht so das, was die andern nicht sehen können, schräg von oben, in hundert Meter Abstand: den Kampf um die Fahne.
    Er ist beinahe vorbei jetzt. Man hat Henning, der den Schaft noch immer nicht losließ, an der Fahne hängend über das Pflaster gegen den Bürgersteig geschleift, hat weiter auf ihn eingeschlagen, bis die zehnfach durchschlagenen Arm- und Handmuskeln nachgaben.
    Dann hat man ihm die Fahne entrissen, und nun stehen Polizeimeister Kallene, ein paar Polizisten und Kriminalsekretär Hebel mit der Beute auf dem Bürgersteig, umbrandet von dem sinn- und ratlosen Hinundhertreiben der Bauern.
    Vom Bahnhof her kommt ein kleiner bärtiger Mann in grauem Straßenanzuge, ein Köfferchen in der Hand. Der Stolper sieht ihn, das rastlose Männchen amüsiert ihn, das nichts mit dem Getriebe anzufangen weiß, sich hier hineinschiebt, dort wieder zurückläuft, hier vordringt, dort steckenbleibt.
    Das Männchen läuft unermüdlich Sturm gegen die eingekeilten Massen, wie eine Ameise versucht er unermattet |192| stets von neuem den Durchbruch, der ihm doch nicht gelingt, diesmal aber in die Nähe der Fahnengruppe bringt.
    Kriminalkommissar Tunk verfolgt den weichen, breitrandigen grauen Filzhut, der nun plötzlich zielbewußt auf die Gruppe zuhält. Es ist eine Zone freier Luft um diese Schar, schweigend stehen die Bauern und glotzen und werden wieder vorbeigedrängt.
    In den freien Raum stürzt der Kleine, lüftet schon den Filzhut, bewegt schon die Lippen. – Tunk meint ihn sprechen zu hören, eine höfliche Frage, mit piepsiger Stimme. Aber niemand beachtet ihn, die Beamten stehen mit dem Rücken gegen das Volk, um ihre Siegesbeute geschart.
    Da faßt der kleine Bärtige

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