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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Mut, er streckt die Hand aus und zupft von hinten einen Beamten am Rock.
    Was geschieht, ist wie das Einschlagen eines Blitzes.
    Der Beamte, ein Polizist, fährt herum, als sei ihm ein Messer durch den Leib gestoßen. In seiner Hand blitzt es, weiß und glänzend. Der Säbel fährt durch die Luft, quer in das Gesicht des Kleinen. Einen Augenblick meint Tunk, den breiten, klaffenden Riß zu sehen, der schräg über Nase und beide Backen läuft. Dann hebt das Männchen die Hände zum Gesicht, sein gurgelndes tiefes »Oh« ist über alles Geräusch hin bis zum Fenster des Postamtes zu hören. Und der Mann stürzt vornüber, verschwindet im Getriebe der Leiber.
    Zugleich ziehen sich die Beamten mit ihrer Fahne weiter gegen die Hauswand zurück, in der Ferne wird Musik laut, ein lauteres Gemurmel läuft durch die Reihen.
    Tunk mit dem Gamsbart wirft sich mit seinem Rücken gegen die Leute hinter ihm. »Platz hier!« schreit er, sich Bahn brechend. »Ist das hier ein Postamt oder ein Theater? Platz! Ich muß telefonieren!«
    Die Tiefe der Schalterhalle ist leer, alles steht an den Fenstern. Der Kommissar eilt auf die nächste Telefonzelle zu. »Jetzt wird es Zeit«, murmelt er.
    Die Tür schlägt hinter ihm zu, er legt einen Groschen bereit, nimmt den Hörer ab. Wirklich meldet sich ein Fräulein.
    |193| »372. Aber rasch. Es brennt.«
    »Bitte zahlen!«
    Der Apparat läutet, es meldet sich das Mädchen von Bürgermeister Gareis.
    »Schnell, der Bürgermeister! Es geht um Leben und Tod!«
    »Herr Bürgermeister ist in Urlaub.«
    »Sie Pute, Sie! Sie Idiotin, Sie!« schreit der Kommissar. »Hören Sie nicht, daß es um Leben und Tod geht!?! Wollen Sie den Bürgermeister rufen, Sie Gans, Sie verfluchte!«
    »Einen Augenblick, bitte! Einen Augenblick, ich rufe Herrn Bürgermeister sofort«, haucht es drüben.
    »Aber ein bißchen dalli, ja, hören Sie!«
    Der Kommissar grinst wie ein Affe, den Hörer in der Hand fängt er plötzlich an, Kniebeugen zu machen, in irrem Tempo, auf, ab, auf, ab, immer rascher, immer wilder, während das Herz schneller klopft, die Lunge hastig, versagend atmet.
    So gelingt es ihm, als der Bürgermeister sich fett, verschlafen (und sehr ungehalten) meldet, mit atemloser Stimme, aussetzend, völlig naturgetreu zu stammeln: »Herr Bürgermeister! Herr Bürgermeister! Genosse Gareis! Die Bauern kämpfen mit der Polizei! Der Inspektor ist niedergeschlagen, zwei Wachtmeister sind gefallen. Eben ziehen zehn, zwölf Bauern ihre Pistolen. Retten Sie …«
    Seine Stimme ist weg. Und während am andern Ende der Strippe Gareis tobt, legt Tunk sachte den Hörer auf den Telefonkasten, hängt nicht ab, schleicht leise aus der Zelle, schließt leise die Tür.
    Und er betritt die Zelle daneben, fordert mit seiner gewöhnlichen Stimme Nummer 785.
    Es meldet sich der Gastwirt Mendel in Grünhof.
    »Hier Kriminalpolizei. Rufen Sie mir sofort den Oberleutnant Wrede an den Apparat. Er sitzt in Ihrem Gastzimmer.«
    Und dann: »Also, Wrede, ich … ja, Sie wissen schon …, lieber keine Namen. Ich habe es also geschafft. Lassen Sie |194| Ihre Leute sich fertigmachen. In fünf Minuten fordert Sie der Gareis an. Sie wissen natürlich von nichts.«
    Ruhig tritt Kriminalkommissar Tunk aus der Zelle. Aus der Nebenzelle, in der er vor drei Minuten telefonierte, taucht ein Postbeamter auf, sieht ihn zögernd an.
    »Was ist denn?« fragt ermunternd Tunk.
    »Sie haben wohl nicht«, fragt der Postbeamte zögernd, »von dieser Zelle aus telefoniert?«
    »Ich? Haben Sie nicht gesehen, aus welcher Zelle ich kam?«
    »Natürlich. Entschuldigen Sie bitte. Aber vielleicht haben Sie gesehen, wer eben in dieser Zelle war?«
    »Gesehen? Warten Sie. Ja, die Zelle war besetzt, als ich kam. Bin noch reingerammelt aus Versehen. Das war so irgendwas. Ein Arbeiter, ja, ein Arbeiter in blauer Jacke. Schien schrecklich aufgeregt.«
    »Also ein Arbeiter? In blauer Jacke? Ich danke Ihnen. Ich will gleich Bescheid sagen. Danke schön.«
    Und der Postmensch taucht in der Zelle, der Kriminalist in der Menge unter.

    10

    Die Einhorn-Apotheke hat in Altholm keinen guten Ruf. Lieber gehen die Leute, und sei der Weg noch dreimal weiter, in die Salomon-Apotheke oder in die Apotheke zum Wassermann.
    Das kommt daher, weil der Apotheker Heilborn jener milden Art von Verrücktheit verfallen ist, die man in plattdeutschen Gegenden Mallheit nennt. Er denkt gar nicht daran, den Leuten das zu geben, was sie haben wollen, sondern er verkauft nur, was er für

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