Bauern, Bonzen und Bomben
wird. Diesen Übergriff der Polizei kann ich verwenden, denkt er. Das charakterisiert die heutige Regierung. Die Ultraroten und die Nazis dürfen alles, wir Bauern stehen unter Ausnahmerecht.
6
Dort, wo die Grünhofer Straße den Burstah schneidet, steht ein Verkehrsposten. Von neun Uhr morgens bis acht Uhr abends ist die Kreuzung besetzt. Der Burstah erweitert sich hier: Es ist ein Grünplatz da, der Stolper Torplatz, mit dem obligaten Heldenmal.
Gewöhnlich sehen Verkehrsposten und nackter Heros einander an. Heute, der Hauptwachtmeister Hart sieht den Burstah abwärts, dem nahenden Zuge entgegen. Vor einer Viertelstunde sind zwanzig seiner Kollegen unter Führung von Polizeimeister Kallene vorbeigezogen, sie werden den Bahnhof besetzen und die Straßen vom Bahnhof zur Auktionshalle, an denen die Fabriken liegen.
Dann, vor fünf Minuten, ist ein Radler angeprescht gekommen, schwitzend, im Vorbeitrampeln schreit er: »Deine Kameraden haben die Bauern niedergeschlagen. Ich hole die andern.«
|183| Und der Mann ist vorbei. Hart versucht, sich vorzustellen, was geschehen ist: Haben die Bauern, hat die Polizei niedergeschlagen? Oder ist es einfach so ein Arbeiter gewesen, der ihn hat foppen wollen?
Er möchte fort, möchte helfen, vielleicht geht es den Kameraden schlecht? Wer hat auf dem Marktplatz Dienst? Mechanisch gibt er den paar Autos Signale und ist immer froh, wenn er sich so stellen kann, daß er den Burstah abwärts sieht.
Dort erscheint, ganz ferne noch, ein dunkles Gewimmel.
Ein Herr mit einem Lodenhütchen, einen Gamsbart darauf, kommt eilig anmarschiert. Seine eisenbeschlagenen Stulpenstiefel hauen knallend auf das Pflaster. Er stürmt auf Hart zu.
»Wachtmeister, geht es hier heraus zur Auktionshalle? – Danke schön. Soso. Ja, danke schön. Finde schon. – Na, machen Sie sich man auch dünne wie Ihre Kollegen.«
In zehn Schritten Abstand: »Sonst kriegen Sie auch die Schnauze lackiert wie Ihre Kollegen.«
In zwanzig Schritten Abstand, grölend: »Von uns Bauern! Bauern!«
»Halt!« schreit Hart. »Halt! Bleiben Sie stehen! Ich befehle es Ihnen!«
Er will ihm nach, aber zwei Autos kommen, er schwenkt die Arme, und als er sich wieder umsieht, ist der Herr mit dem Gamsbart verschwunden.
Der ist doch nicht zum Bahnhof raufgegangen! Sonst müßte ich ihn noch sehen. Wenn ich dich wiederfinde! Diese Mistbauern! Fresse lackieren, warte, mein Junge, ob wir euch nicht die Fresse lackieren! So ein Mistbauer, gottverdammter, beschissener!
Ein Mann kommt angelaufen, mit den letzten Kräften, keuchend, stolpernd, läuft grade auf ihn zu. Hart erkennt, tief erstaunt, seinen Vorgesetzten, Frerksen.
»Die Leute!« keucht er. »Kallene soll kommen mit den Leuten! Die Bauern …«
Er steht da und ist zu nichts mehr imstande.
|184| »Zu Befehl, Herr Oberinspektor! Melde, daß ich hier Verkehrsposten bin. Ein Radfahrer holt, glaube ich, schon die Mannschaften.«
»Holen Sie die Leute!« schreit Frerksen. Seine Stimme versagt. »Laufen Sie, Hart, rennen Sie. Die Bauern … Die Fahne …«
Hauptwachtmeister Hart wirft einen letzten Blick in das fahle, verzerrte Gesicht seines Vorgesetzten, läuft schon, trabt schon, dem Bahnhof zu. Fresse lackieren …, denkt er. Wem heute wohl die Fresse lackiert worden ist …
Frerksen steht da, auf der Verkehrsinsel des Burstah, breitet die Arme aus, gibt Signale. Wenn die Leute nur kommen, denkt er. Die Bauern sind ganz nahe. Keine drei Minuten …
Ein Radfahrer kommt den Burstah hinauf, vom Marktplatze her. Vor der Verkehrsinsel bremst er scharf, springt ab. Frerksen erkennt ihn: Es ist Matthies, Funktionär der KPD, ein ewiger Stänkerbold.
»Herr Inspektor«, sagt der, freundlich lächelnd. »Herr Oberinspektor, ich wollte ihn Ihnen doch bringen. Ich habe ihn gefunden. Ich bringe ihn Ihnen …«
Und er reicht Frerksen den Säbel, den verbogenen, beschmutzten, nackten Säbel.
Frerksen starrt darauf. Er steht auf der Verkehrsinsel. Schon sammeln sich Leute, die Bauern sind nahe. Vor ihm steht Matthies, die verdreckte Plempe in der Hand, schleimig grinsend.
»Worein soll ich ihn denn stecken?« fragt Frerksen ängstlich und verwirrt. »Ich habe doch keine Scheide.
»Stecken Sie ihn fort«, flüstert er. »Stecken Sie ihn fort, sogleich. Dort, hinter den Sockel vom Denkmal. Stecken Sie ihn hin …« Und seine Augen folgen gequält dem Kommunisten, der, gewollt langsam, den Säbel wie ein Gewehr über der Schulter, nach den Leuten sich mit Grinsen umschauend,
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