Bauern, Bonzen und Bomben
Mit der flachen Plempe verteilen sie knallend Schläge an die Umstehenden, auf ihre Rücken, ihre Gesichter, ihre Hände. Die Masse weicht, ein kleiner freier Kreis entsteht, und taumelnd steht Geier auf, der Fahne einen gewaltigen Ruck gebend.
An ihrem anderen Ende hängt Henning, auf dem Pflaster liegend, aber sein weißes Gesicht, die fest verkrampften Kinnbacken verraten: Er läßt nicht los.
»Laß los, du!« schreit Meierfeld wütend und führt einen Säbelhieb gegen den Liegenden.
Am andern Ende zerren Soldin und Geier vereint an der Spitze. Die Fahne bekommt einen gewaltigen Ruck, zwei Meter rutscht, fest an ihr hängend, über das Pflaster, Henning. Der Säbel streift seinen Arm. Der dunkle Stoff des Anzuges tut sich auf wie ein Mund, der weiße Hemdenstoff – und nun, sich langsam ausbreitend, Rot, helles strömendes Rot.
Fester nur die Hände um den Schaft, führt Henning einen wütenden Fußtritt gegen den Schläger.
Der hebt wieder den Säbel. »Ob du losläßt, du Schwein!« Und er schlägt zu, über die haltende Hand, die sofort nichts ist wie ein purpurner Fleck.
Und auch Soldin, auch Geier lassen die Fahne los, heben |188| die Säbel, schlagen zu. Henning hat sich auf die Seite gewälzt, mit seinem Körper deckt er die Hand, die noch halten kann, in die andere dringen die Hiebe.
Die Polizisten schlagen zu, atemlos, wutbleich, und um dies kleine Zirkusrund treibt immer wechselnd, dreht sich der Strom der Bauern, nachdrückend, weitermarschierend, immer neue.
8
Den weiten Weg vom Zentralgefängnis in die Stadt läuft hastig ein Mann. Er hat vor der grauen toten Wand gestanden, die plötzlich Stimme bekam, ein weißes Gesicht erschien, Hilfegeschrei ertönte: Sie martern den Reimers, die Schergen dieser Regierung, die Büttel der Republik, die Gott verdammen möge, alle!
Banz läuft, als gelte es sein Leben: Es gilt das Leben eines andern. Die befreundeten Bauern hat er längst verloren. Wo sind sie abgeblieben?
Aber hier tun es nicht zwei, nicht zehn, nicht hundert Bauern. Im Laufen hat er eine Vision von Tausenden von Bauern, die vor der toten Zementwand mit ihren Gitterlöchern stehen. Und wenn diese Tausende den Mund auftun werden zu einem gewaltigen Geschrei, dann wird es nicht sein um Hilfe, nicht aus Schwäche, sondern die Tore werden sich auftun, die Mauern werden fallen, heraus werden kommen die Verdammten der Republik.
Er läuft – und dazwischen huscht durch sein Hirn die Erinnerung an die drei Margarinekisten mit Sprengstoff in der verschlossenen Scheune daheim. Auch diese Kisten haben die Kraft von zehntausend Bauern, sie öffnen Tore, ändern den Sinn der Köpfe, machen aus Bonzen feige, kriechende Tiere, sind wahre Wegbereiter.
Jetzt aber holt er die Bauern. Er wird es ihnen zuschreien, wie man ihnen mitspielt, wie sie wieder einmal betrogen worden sind, daß der Reimers doch hier sitzt.
|189| Der Marktplatz ist leer, als er ihn keuchend erreicht. Banz sieht sofort: Sie sind schon auf dem Marsch, verödet die Gehsteige, leer die Stühle hinter den Glasscheiben der Bierlokale.
Er läuft, erreicht den Knick des Burstah und sieht die Straße angefüllt von einer strudelnden, endlosen Menge.
»Was ist los?« ruft er atemlos. »Warum marschiert ihr nicht?«
»Vorn ist eine Stockung.«
»Es soll Keilerei sein mit den Kommunisten.«
»Wo ist Rohwer? Wo ist Padberg? Wo ist Henning?«
»Keine Ahnung, die werden doch wohl an der Spitze sein.«
Zu ihnen muß Banz. Er überlegt einen Augenblick. Die Schlucht Burstah ist nicht passierbar. Hier steckt alles voll, rettungslos verkrampft mit Autos, Wagen, Passanten. Aber es gibt eine Parallelstraße, und durch eine Torfahrt, durch einen Garten, über einen Hof, durch eine neue Torfahrt erreicht er sie.
Nun hat er wieder freie Bahn. Er läuft, und er hält den Knotenstock fester in der Hand: Diese Kommunisten, er wird es ihnen besorgen!
Er biegt in die Grünhofer Straße ein, erreicht den Stolper Torplatz, sieht den Engpaß Burstah nun von der andern Seite, blickt auf die Spitze des Zuges.
Er steht bewegungslos, sein Atem stockt.
Durch den Aufprall der Polizei sind die vordersten Glieder zum Halten gekommen, aber die nachdrückenden haben sich seitlich geschoben: Die ganze Breite der Straße ist erfüllt von einem Bauerngewimmel, dicht wie eine Wand.
Und vor dieser Wand, in Abständen von zwei bis drei Metern, steht eine blaue Kette von Polizisten, schlägt mit Gummiknüttel und Säbel auf die Leute ein, versucht die
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