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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Ankläger tritt vor.
    Aus der Tasche nimmt Padberg ein Blatt Papier und entfaltet es. Alle erkennen an der Größe des Blattes: Es ist eine Zeitung.
    »Jeder von euch hat schon gehört: Wer einen Mord begangen hat, den läßt es nicht ruhen, er muß zurück an den Ort der Tat, heute oder morgen, sein Gewissen läßt keine Ruhe.
    Und hättet ihr sie nicht schuldig gesprochen, die Stadt Altholm, in ihrer eigenen Zeitung könntet ihr das Geständnis ihrer Schuld lesen. Das böse Gewissen plagt sie.
    Hier steht es in der ›Chronik‹ von Altholm, ich lese euch nur zwei Sätze vor:
    ›Ich bin ganz entsetzt, überall höre ich, daß die Bauern ihr großes Reitturnier nicht in Altholm abhalten wollen.‹
    |270| Und weiter:
    ›Gott bewahre Altholm vor einem Boykott durch die Landwirtschaft!‹
    Da hat das böse Gewissen sich selbst die Strafe erdacht. Kein Gott wird sie davor bewahren.
    Bauern Pommerns, ich beantrage, daß die gesamte Landwirtschaft den Boykott gegen die Stadt Altholm beschließt, bis sie Sühne gegeben hat für alles Unheil, bis sie die Bonzen weggejagt hat, bis sie eins geworden ist mit uns.
    Das sei ihre Strafe!«
    Padberg tritt zurück, und ein ungeheurer Lärm brandet auf. Alles spricht, schreit, murmelt, droht, schüttelt Fäuste, streitet, widerredet, brüllt: »Hoch«, schreit: »Nieder.«
    Der Richter winkt umsonst, sie hören nicht auf ihn.
    Der junge Mann in den Büschen spricht: »Es sind zuviel Bauern hier, die von Altholm leben.«
    Und der Oberlandjäger: »Sie werden ohne Ergebnis auseinanderlaufen, ich kenne die Bauern.«
    Eine Stimme spricht: »Aber die Bauern kennen euch nicht, Freundchen!«
    Und zwei eisenfeste Hände packen nach den beiden.
    Fünf Sekunden braucht Oberlandjäger Zeddies-Haselhorst zur Überlegung. Wenn der lange Bauer mit den schmalen Lippen und den kalten Augen, der ihn beim Grips hat, seinen Gefangenen zum Stein schleppt, erkennen ihn dreihundert, erkennen ihn tausend Bauern, und er ist verloren.
    Und lassen sie selbst den Lauscher mit heilen Gliedern wieder laufen, verloren ist er auch dann. Was soll er seiner Behörde sagen, dem Kollegen vom Bezirk, den Bauernverwandten?
    Fünf Sekunden – die Hand an seinem Halse liegt eisenfest. Aber frei muß er sein, und er schnellt das Knie hoch, trifft mit voller Wucht mitten in das Gemächt des Mannes. Der stößt einen Schrei aus, dem doch schon die Luft fehlt, stürzt hintenüber. Und hält doch noch fest mit der Hand um den Hals, die Zeddies kaum mit beiden Händen aufbrechen kann.
    Zeddies starrt auf den im Sumpfwasser Liegenden, halb |271| schon auf dem Sprunge zur Flucht, als der andere, Junge, in Hemd und Hose, gellende Rufe auszustoßen beginnt: »Bauern, hierher! Verräter! Bauern, helft!«
    Zeddies wartet nicht mehr, er springt in das Sumpfwasser, das fett in sein Gesicht klatscht, hastet mit schweren, klumpigen Füßen. Knüppel hört er fallen, rechts und links von sich, Steine schlagen breit ins Wasser.
    Zeddies läuft, kommt doch kaum von der Stelle. Da ist das Weidengebüsch, in dem er das Diebesnest entdeckte. Ich Idiot, ich, daß ich den Flintenhahn verbog! Was für eine schöne Waffe wäre das jetzt!
    Und denkt dabei an den jungen, unrasierten Einbrecher.
    Plötzlich weiß er es. Und ich möchte mich ohrfeigen, daß ich es nicht schon vor einer halben Stunde wußte: Das ist der Bombenschmeißer, der Thiel, den kenn ich doch aus dem Fahndungsblatt. Der ist ausgebrochen aus dem Gerichtsgefängnis in Stolpe. Nun muß ich Meldung machen.
    Zwanzig Schritte weiter: Sehr lebhaft sind die nicht in der Verfolgung. Oder mache ich keine Meldung? Flöten ist der doch im Augenblick, jetzt, wo ihn die Bauern wiederhaben.
    Er erreicht den Bach mit seinem festeren Bett.

    4

    Sie haben den Verletzten auf den Stein gehoben. Da sitzt er, das Gesicht in den Händen, von Zeit zu Zeit noch sich krümmend vor Schmerzen.
    Weit hinten bei Padberg steht Thiel, gut, daß gleich einer, der ihn kannte, zu ihm stieß, die Bauern hätten den Jungen in Hemd und Hose nicht heil gelassen.
    Benthin bückt sich zum Stöhnenden und spricht mit ihm. Dann auch der Graf Bandekow, einer der Schöffen, ein zweiter, noch mehr.
    Durch die dunkle Schar der wartenden Bauern laufen verwirrte Gerüchte. Man hat ihren Führer freigelassen, nur um |272| ihn hier im Sumpf zu ermorden. Der Bengel dort im verdreckten Hemd ist der Polizeispitzel, der es tun sollte. Nein, der Retter. Ein Bauernsohn aus dem Stolpischen. Der Fahnenträger Henning, der aus dem

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