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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Fraktionskollege Meisel, Herr über ein vierstöckiges Lagerhaus und siebzig Lumpensammler, den er erblickt.
    »Morgen, Franz.«
    »Morgen, Emil.«
    |275| »Gestern noch lange geblieben?«
    »Bis fünf. Irgend so ein dämlicher Stadtpolizist wollte um drei Polizeistunde bieten. Ich hab ihm was gepfiffen.«
    »Ja?« horcht Meisel neugierig.
    »Ich hab ihm einen Zettel ausgeschrieben, daß ich als Stadtverordnetenvorsteher die Polizeistunde bis sechs verlängere.«
    »Und was wird Gareis dazu sagen?«
    »Gareis? Gar nichts! Glaubst du, der verdirbt es jetzt mit mir, wo der Boykott Wirklichkeit geworden ist und das Turnier auffliegen soll?«
    »Ich war heute«, sagt Meisel, »zum Rasieren auf dem Bahnhof. Der Punte sagt, er muß mindestens drei Gehilfen entlassen. Kein Bauer läßt sich mehr rasieren und Haar schneiden.«
    »Der Gareis soll sie man rasieren, der muß es ja noch können vom Vater her.«
    »Ich glaub, der Gareis hat die Bauern schon zuviel eingeseift.«
    Die beiden Männer lachen, so schallend, daß ein paar Vögel aufflattern.
    »Der Krüger am Bahnhof sagt auch, er schenkt an Markttagen zwei Hektoliter weniger aus.«
    »Alle Kaufleute klagen.«
    »Ich will dir was sagen«, erklärt Manzow gewichtig. »Du kennst mein Geschäft. Hier in der Stadt war es nie nichts. Aber alle Hausierer haben bei mir gekauft: Kurzwaren, Parfüm, Seife, Hosenträger, Stoffe, eben alles.
    Nun, jetzt sagen sie, sie könnten nicht mehr bei mir kaufen. Die Bauern fragen: Woher kommst du? Aus Altholm. Dann geh man wieder nach Altholm. – Kein Schwanz kauft was.«
    »Wer aus Altholm ist, ist erledigt. Die Reisenden im Auto, für Öle und Fette, für Maschinenteile, alle werden vom Hofe gejagt. Die haben sich eine Liste von den Kontrollnummern der altholmschen Autos gemacht.«
    |276| »Toll ist das«, stöhnt Manzow. »Gehen wir übrigens vor der Sitzung einen Schnaps trinken?«
    »Meinetwegen. – Und dem Autofahrlehrer Meckel sind siebzehn Schüler vom Lande abgesprungen.«
    »Die landwirtschaftliche Winterschule hat keine Anmeldungen zum Herbst.«
    »Ja, aber der Frerksen, der Affe, läuft in der Stadt herum in seiner Uniform und ist hochmütiger als je.«
    »Sag das nicht. Weißt du nicht, daß er in Stolpermünde in der Sommerfrische war? Da haben sie ihn in einer Woche rausgeekelt, aber wie? Jeden Morgen war seine Burg am Strande vollgeschissen, und die Zimmer haben von Ungeziefer gewimmelt.«
    »Hast du nicht gehört, sein Junge hat gesagt, sein Vater hätte in der Nacht nach der Demonstration gesagt, alle Bauern wären Verbrecher und gehörten totgeschlagen …?«
    »Die eigenen Eltern vom Frerksen haben aber gesagt: Das hätte der Fritz nicht tun müssen, mit dem Säbel auf die Bauern losgehen.«
    »Die verkehren nicht mehr miteinander.«
    »Gareis kann ihn unmöglich halten.«
    »Na, das werden wir ja heute hören. Du kommst doch auch?«
    »Natürlich.«
    »Also dann trinken wir rasch vorher noch einen, dann ist es nicht so trocken.«
    »Gehen wir ins Tucher?«
    »Nein, lieber zu Tante Lieschen. Da können wir eher ein bißchen schweinigeln.«
    »Wieder scharf auf die kleinen Mädchen?«
    »Immer. Immer. Pflücke die Rose, eh sie erblüht.«
    »Glänzend. Das muß ich meiner Frau erzählen.«
    Die Männer lachen schallend, die Vögel erschrecken schon wieder.

    |277| 2

    In dem großen Arbeitszimmer von Bürgermeister Gareis sind um zwölf Uhr etwa dreißig Herren versammelt: die Obermeister der Innungen, die Vertreter der verschiedenen Einzelhandelsverbände, die Fabrikanten, der Leiter des Finanzamtes: Finanzrat Berg, von der Presse die Herren Heinsius und Pinkus, ein Geistlicher: der Superintendent Schwarz, ein Kinobesitzer, der ganze Magistrat und zahlreiche Stadtverordnete.
    Die Herren reden eifrig miteinander, jeder weiß alarmierendere Nachrichten. Die Presse notiert eifrig.
    Gareis fehlt noch.
    »Wo bleibt er denn?«
    »Der verhandelt noch wegen des Turniers.«
    »Gott, wenn uns das auch noch aus der Nase geht! Sechstausend Bauern drei Tage lang in Altholm!«
    »Sechstausend? Zehn! Der Gareis hat uns was Nettes eingebrockt.«
    »Gareis? Frerksen!«
    Mit dem Stahlhelm auf dem Rockaufschlag erklärt Medizinalrat Doktor Lienau messerscharf: »Gareis? Frerksen?
Eine
Wichse! Die rote Rotte ist einander wert. Wo aber ist Stuff, der einzige nationale Berichterstatter?«
    Heinsius von den »Nachrichten« weiß Bescheid. »Stuff ist nicht geladen.«
    »Ich bitte Sie! Nicht geladen! Und das läßt sich die Presse bieten?

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