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Bauern, Bonzen und Bomben

Titel: Bauern, Bonzen und Bomben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Fallada
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Sind Sie nicht solidarisch?«
    »Er hat von Polizeiterror geschrieben.«
    »Und? War es das nicht? übrigens sollen Sie jetzt ein Betrieb sein?«
    »Ein Betrieb? Nein, nein. Mir ist Herr Stuff völlig fremd.«
    »Unerhört, unser Pressevertreter …«
    »Pssst! Gareis!«
    »Gareis!!«
    »Gareis!!!«
    |278| Er kommt, größer als alle, massiger als alle. Grüßt flüchtig, hierhin, dorthin. Beinahe noch im Gehen, hinter seinem Stuhl, die Lehne in der Hand, fängt er an zu sprechen: »Ich bitte Sie, meine Herren, Platz zu nehmen.«
    Gescharre, Gewispere, Hinundherlaufen.
    Schon beginnt Gareis im Eiltempo: »Meine sehr verehrten Herren. Ich danke Ihnen, daß Sie meiner Einladung gefolgt sind. Ich begrüße in Ihnen die prominenten Vertreter von Wirtschaft, Handel und Handwerk der Stadt, die Behörden, die Kirche und insbesondere auch die Herren von der Presse.«
    Eine Stimme schnarrt: »Stuff fehlt.«
    »Richtig! Stuff fehlt. Muß fehlen, da Herr Stuff nicht geladen wurde. – Unser heutiger Verhandlungsgegenstand ist bekannt: der Boykott der Bauern und unsere Maßnahmen dagegen.
    Ich schicke eins voraus: Der Demonstrationszug, der ›Blutmontag‹, wie ihn der abwesende Herr Pressevertreter so wirkungsvoll für die Interessen unserer Stadt getauft hat, bleibt aus der Debatte.
    Wir hier, meine Herren, können nicht entscheiden, ob Fehler gemacht worden sind. Jeder von uns ist irgendwie Partei. Im übrigen hat der Herr Minister Bericht eingefordert. Dort fällt die Entscheidung.
    Ich bitte, sich also strikt daran zu halten, daß der Montag aus der Debatte bleibt.«
    Pause. Gareis beginnt neu, wirklich:
    »Meine Herren, wir alle wissen, daß jene Bewegung, die sich Bauernschaft nennt, als Protest gegen das Vorgehen der altholmschen Polizei den Boykott über unsere Stadt verhängt hat.
    Ich will nicht davon reden, daß dieser Boykott sehr voreilig und sehr ungerecht verhängt worden ist, ohne jede Prüfung der Schuldfrage. Die Bauern können jetzt vielleicht nicht geduldig und gerecht sein.
    Ich will auch nur kurz erwähnen, daß dieser Boykott ja nur Unschuldige trifft. Wenn wirklich die Polizei schuldig |279| ist: Ich, meine Herren, und meine Unterstellten, wir kriegen unsere Gehälter weiter. Sie sind die Leidtragenden.«
    »Sehr richtig!«
    »Die Führer der Bauernschaft können das nicht übersehen haben. Wenn man trotzdem den Boykott verhängt hat, so scheint mir das dafür zu sprechen, daß man ihn mehr aus Propagandarücksichten beschlossen hat als aus Empörung über den sechsundzwanzigsten Juli.
    Und ich kann Ihnen verraten, dieser Boykott ist nicht etwa der Wille der gesamten Bauernschaft. Vertraulich sage ich Ihnen, daß es in der nächtlichen Versammlung auf der Lohstedter Heide sehr erregte Szenen gegeben hat. Mein Gewährsmann versichert mir, daß nur das Eingreifen des Führers Reimers den Boykott erzwungen hat. Beschlossen ist er nicht von der Bauernschaft. Mein Gewährsmann …«
    »Namen nennen!«
    »Das möchten Sie, Herr Medizinalrat, was? Ich liefere aber meine Gewährsleute nicht ans Messer.«
    »Ich verbitte mir …«
    »Gar nichts, Herr Medizinalrat. Hier bin ich Hausherr. Sie können jederzeit gehen, wenn Ihnen meine Rede nicht paßt. –
    Das mag aber sein, wie es will, der Boykott ist jedenfalls da. Nun laufen in der Stadt ganz irrsinnige Gerüchte über die Wirkungen des Boykotts herum. Meine Herren, lassen Sie sich doch nicht irremachen. Die Wirkungen des Boykotts sind minimal.«
    »Oho!«
    »Unsinn!«
    »Verheerend!«
    »Sehr richtig!«
    »… Altholm ist eine Industriestadt. Die Kaufkraft steckt in der Arbeiterschaft. Glauben Sie doch nicht, meine Herren, daß die Bauern hier viel in Altholm gekauft haben. Wenn sie vom Markt kamen, hat die Frau ein bißchen Nähgarn geholt und der Mann ein Glas Bier getrunken. Es fällt wirklich nicht ins Gewicht.
    |280| Gewiß, da und dort ist ein Reisender zurückgeschickt worden. Aber seien Sie sicher, die Bauern hätten ihm auch so nichts abgekauft, jetzt vor der Ernte hat der Bauer doch kein Geld. Da ist es eine wunderschöne Ausrede zu sagen: Ich kauf dir nichts ab, weil du aus Altholm bist.
    Aber, meine Herren, wenn das auch alles nicht wäre, wenn der Boykott wirklich schlimm wäre, wir könnten nichts Verhängnisvolleres tun, als das auszusprechen. Wenn wir immer wiederholen: Wir merken gar nichts vom Boykott, der Boykott ist ein Papiergefasel von der Zeitung ›Bauernschaft‹ – dann, meine Herren, ja, dann ist der ganze Boykott in vier Wochen

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