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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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tragen?«
    »Tante Ada …«, versuchte er einzulenken.
    Doch ihre Züge blieben hart. Sie nickte, als habe sie eine Bestätigung
von ihm erhalten, und schloss die Haustür. Hambrock blickte noch eine Weile auf
das hölzerne Türblatt. Dann blies er die Backen auf, drehte sich um und
trottete zurück zum Wagen.
    Familie!, dachte er.

4
    An die Sache mit dem Tanklastwagen erinnerte sich Annika
erst ein paar Tage später wieder. Das war kurz nach dem Frühstück, als sie Emma
zum Kindergarten fuhr. Gerade bog sie auf die Hauptstraße, als sie in der Ferne
den Wagen der Molkerei entdeckte. Er fuhr auf der Zufahrtsstraße zu einem abgelegenen
Hof, klein wie ein Spielzeugauto. Sein silberner Tank reflektierte das
Morgenlicht.
    In diesem Moment fiel es ihr wieder ein. Natürlich. Sie hatte den
Tanklaster am Tag von Ewald Tönnes’ Tod gesehen, als sie mit dem Fahrrad auf
dem Weg zum Schützenfest gewesen war. Der Laster hatte in der Nähe seines Hofs
am Straßenrand gestanden. Ihr war noch durch den Kopf gegangen, dass die Milch
in Erlenbrook-Kapelle nur alle zwei Tage abgeholt wurde und der Tanklastwagen
bereits am Vortag da gewesen war. Doch dann war sie in die Pedalen getreten, um
ja nicht zu spät zu kommen.
    Der Spielzeuglaster fuhr auf den Hof und verschwand zwischen den
Wirtschaftsgebäuden. Der silberne Tank blitzte noch einmal auf, dann war er
fort.
    Plötzlich wurde ihr auch klar, weshalb ihr an dem Maisfeld Ewald
Tönnes in den Sinn gekommen war. Sie blickte nachdenklich zu dem abgelegenen
Hof. Es war schon seltsam. Natürlich war alles nur Zufall, trotzdem hatte
dieser Tanklastwagen etwas Unheilvolles an sich. Ganz so, als wäre er ein Todesbote.
    Im Rückspiegel sah sie Emma auf ihrem Kindersitz. Sie hielt den Kopf
gesenkt und tuschelte mit dem leeren Platz neben sich.
    »Sitzt da Klooke neben dir?«, fragte Annika.
    Emma erstarrte. »Nein.«
    Sie log, das sah Annika sofort. Emma wollte es also geheim halten.
Annika beschloss, sie nicht weiter zu bedrängen.
    »Bist du überhaupt angeschnallt?«, fragte sie stattdessen. »Ich kann
das von hier aus nicht erkennen.«
    Emma zog den Anorak hoch, um den Gurt zu zeigen, der darunter
verborgen war.
    »Also gut«, murmelte Annika und konzentrierte sich ganz auf die
Landstraße.
    Nachdem sie Emma im Kindergarten abgesetzt hatte, fuhr sie weiter
zur Redaktion. In Altenberge gab es eine kleine Außenstelle des Steinfurter
Kreisanzeigers, für den sie schrieb. Ihre Chefin, Sabine Wegener, fungierte als
Ein-Frau-Redaktion für den Ortsteil Altenberge. Das wöchentliche Meeting, bei
dem die freien Mitarbeiter ihre Termine bekamen, würde zwar erst in zwei
Stunden stattfinden, doch es lohnte sich für Annika nicht, zwischendurch noch
mal nach Hause zu fahren. Sie parkte Maritas Auto vor der Redaktion, zog das
Buch hervor, das sie mitgenommen hatte, und begann zu lesen.
    Irgendwann donnerte eine Hand auf das Autodach. Annika schrak auf
und blickte in das grinsende Gesicht ihrer Kollegin Lisa, einer Abiturientin
aus Holthausen, die seit ein paar Wochen zum Team gehörte. Lisa hatte zuvor in
einem Lokal in der Nähe gearbeitet, doch dann waren ihr die betrunkenen, grapschenden
Gäste zu viel geworden, und sie hatte beim Lokalteil angefangen. Seitdem waren
sie Freundinnen. Annika kurbelte die Scheibe herunter.
    »Wo warst du denn letzte Woche?«, begrüßte Lisa sie. »Bei der
Teamsitzung haben wir dich vermisst.«
    »Bei uns haben zwei Kühe gekalbt, da konnte ich nicht weg. Ich hab
bei Frau Wegener angerufen und meine Termine am Telefon abgeklärt. War denn
irgendetwas?«
    »Mal sehen … Judiths Kamera ist schon wieder kaputt. Das war jetzt
die dritte. Keine Ahnung, wie sie das immer hinkriegt. Sie meint, die drückt
nur den Auslöser, mehr nicht. Aber irgendwie sind die Dinger anschließend
Schrott. Frau Wegener meint, die Versicherung würde sich langsam von ihr
verarscht fühlen.« Lisa begann zu grinsen. »Ach, und dann haben wir noch einen
Neuen im Team. Der ist mit seinen Eltern aus dem Ruhrgebiet hergezogen und
gehört jetzt zu den Freien. Ist ein süßer Typ, echt. Judith meint, er hat noch
keine Freundin.«
    Annika machte ein skeptisches Gesicht.
    »Bernd heißt er«, sagte Lisa. »Aber du wirst ihn ja gleich selber
kennenlernen.«
    »Du kannst ihn gerne haben«, meinte Annika und stieg aus dem Wagen.
»Ich hab im Moment keine Lust auf irgendwelche Jungs.«
    Eine halbe Stunde später hatten sich die meisten Freien in der
Redaktion versammelt, einem ebenerdigen

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