Bauernjagd
Schichten, und eigentlich
wäre an dem Nachmittag Marita dran gewesen. Eins ihrer Kinder hat sich den Kopf
aufgeschlagen, deshalb war sie nicht auf dem Feld. Nur deshalb.«
Er wollte darauf etwas sagen, doch sie ließ ihn nicht zu Wort
kommen.
»Jeder in Erlenbrook-Kapelle wusste, dass Clemens an diesem
Nachmittag frei hatte. Verstehst du? Wer immer die Stahlschrauben in den Mais
gehängt hat, er musste davon ausgehen, dass es Marita treffen würde.«
»Aber ich dachte, der Täter stammt nicht aus Erlenbrook-Kapelle? Es
ist ein Fremder, das hast du selbst gesagt.«
»Jetzt dreh mir doch nicht jedes Wort im Mund um! Was ich sagen will,
ist, dass jeder – auch jeder Fremde – herausfinden konnte, wer wann auf dem
Häcksler sitzt. Glaub mir, der Anschlag galt Marita!«
Hambrock ging auf, weshalb er den weiten Weg hier herausgefahren
war: Seine Tante hatte gar keine sachdienlichen Hinweise. Sie hatte ganz
einfach schreckliche Angst um ihre Familie. Was ihr natürlich keiner verübeln
konnte. Trotzdem fühlte er sich plötzlich unendlich erschöpft. Er sehnte sich
nach seinem Sofa in seiner Münsteraner Wohnung.
»Es muss da eine Verbindung geben«, meinte Tante Ada. »Solche Dinge
geschehen doch nicht zufällig. Erst der arme Ewald und jetzt unsere Marita.«
»Ich kann deine Sorge gut verstehen«, begann Hambrock vorsichtig.
»Aber du darfst nicht vergessen, dass keiner die Wirkung eines solchen Sabotageaktes
vorhersehen kann. Es wurden schon häufig Metallteile an Maispflanzen gehängt,
aber noch nie wurde jemand verletzt.«
Sie sah ihn wütend an. »Wer Metallteile in den Mais hängt, muss
damit rechnen, den Fahrer des Häckslers zu töten.«
»Sicher, aber wenn es jemand auf den Fahrer abgesehen hätte, würde
er sich etwas anderes ausdenken, verstehst du? Mit Metallteilen im Mais den
Fahrer töten zu wollen, das wäre wie Lottospielen.« Er atmete tief durch. »Tut
mir leid, aber ich sehe es wie die anderen: Es geht hier eher um
Sachbeschädigung. Die Gefahr für den Fahrer wurde dabei nur billigend in Kauf
genommen.«
»Bernhard, ich lebe seit über sechzig Jahren in Erlenbrook-Kapelle.
Ich kenne diese Bauernschaft. Wenn ich nicht das sichere Gefühl hätte, dass
hier etwas im Busch ist, dann würde ich nichts sagen.«
Er suchte nach Worten, die sie nicht verletzen würden. Doch sie
hatte längst begriffen. Grimmig verschränkte sie die Arme. Er stieß einen
hilflosen Seufzer aus.
»Also gut. Ich werde mit den zuständigen Kollegen sprechen, sie
sollen sich die Sache mit dem Bauern und seiner Güllegrube noch mal ansehen.
Vielleicht sind sie ja selbst schon drauf gekommen. Sie sollen die Geschichte
prüfen und nach Verbindungen Ausschau halten.«
»Ist das alles, was du tun willst?«
»Ich rede gleich morgen früh mit ihnen. Ich kenne dort ein paar
Leute persönlich, ich sage ihnen, dass sie die Sache im Auge behalten sollen.
Darauf kann man sich verlassen. Das verläuft dann nicht im Sande.« Er bemerkte
ihren Gesichtsausdruck. »Was erwartest du noch?«
»Nun, du gehörst schließlich zur Familie. Ich muss gestehen, da habe
ich mir schon etwas mehr erhofft. Vielleicht Polizeischutz oder so etwas.«
Hambrock merkte, dass er ärgerlich wurde. »Die Kollegen werden sich
darum kümmern, Tante Ada. Vielleicht fällt dir ja noch etwas ein. In dem Fall
kannst du mich jederzeit anrufen. Tag und Nacht. Mehr kann ich auch nicht tun.«
»Und was ist mit Marita?«
»Gibt es jemanden, der Grund hätte, ihr Schaden zuzufügen?«
»Um Himmels willen, nein!«
»Dann würde ich sagen, wir warten die Ergebnisse ab.«
Ihre Züge verhärteten sich. »Gut. Dann weiß ich, wie du zu der Sache
stehst.«
Sie wartete stumm, bis er seinen Tee ausgetrunken hatte. Dann
räusperte sie sich und stand auf. Tante Ada gab ihm seinen Mantel und führte
ihn zur Tür.
»Grüß Tante Sophia von mir«, sagte er und trat auf den Hof. »Und
melde dich, falls dir etwas einfällt. Wie gesagt: Du kannst jederzeit bei mir
anrufen.«
Sie schnaubte spöttisch. Gerade wollte sie die Tür hinter ihm ins
Schloss werfen, als sie nochmals innehielt.
»Ausschließen kannst du es nicht, dass Marita mit dem Anschlag
gemeint war, ganz egal, was du sagst.«
Er kam gar nicht dazu, etwas zu erwidern. Sie reckte das Kinn vor.
»Was, wenn es tatsächlich so ist, Bernhard? Willst du die Verantwortung tragen,
wenn der nächste Anschlag gelingt?« Ihre dunklen Augen funkelten herausfordernd.
»Sag schon. Willst du die Verantwortung
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