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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Missverständnisse waren groß genug, um das Jagen an den
Nagel zu hängen.«
    »Wie gesagt: Ich hatte sowieso erwogen aufzuhören. Mein Sohn ist
sehr krank, wie Sie bestimmt wissen. Ich habe keine Zeit für Hobbys.«
    »War Heinrich Uhlmann damals schon dabei, als Sie ausgetreten sind?«
    Er nickte.
    »Hat er sich mit allen Leuten verstanden?«
    »Keine Ahnung. Sah zumindest so aus. Aber wie es sich in den letzten
Jahren entwickelt hat, das weiß ich nicht.«
    »Laut Ihrer Waffenkarte besitzen Sie noch immer zwei Jagdgewehre.«
    »Das ist nicht verboten, oder? Ich besitze einen Waffenschein.«
    »Nein, verboten ist das nicht. Könnte ich mir die Waffen trotzdem
einmal ansehen?«
    Er seufzte und ging zu einem dunklen Schrank an der Wand neben der
Tennentür. Im Innern waren zwei Jagdgewehre befestigt. Heike betrachtete sie
eingehend. Eines davon war eine Schrotflinte. Sie nahm sie aus dem Schrank und
wog sie in der Hand. Dann warf sie einen Blick in das Patronenlager und hob den
Lauf gegen das Licht.
    »Die Waffe ist vor Kurzem gereinigt worden«, stellte sie fest.
    »Das mache ich regelmäßig. Die Waffen sollen schließlich nicht
verrosten.«
    Sie gab ihm die Flinte zurück. »Mit welcher Munition schießen Sie
für gewöhnlich?«
    »Einfache Schrotmunition.« Er deutete auf das Ablagefach über den
Gewehren, dort stapelten sich ein paar Munitionspakete. »Aber ich habe sie
schon ewig nicht mehr verwendet.«
    In einem Nebenraum polterte es. Melchior Vesting verstummte. Dann
nahm er eilig die Waffe, verstaute sie im Schrank und schloss die Tür.
    »Ich muss kurz nach meinem Sohn sehen. Bitte warten Sie.« Damit
verschwand er in der Tür zum Nebenraum.
    Heike betrachtete den Schrank. Sie erinnerte sich an das, was Guido
Gratczek ihr berichtet hatte. Die Schrotkugeln, die sie an der Leiche gesichert
hatten, waren von einer Oxydschicht umgeben, was die Kollegen zu dem Schluss
brachte, dass die verwendete Munition sehr alt sein musste.
    Mit einer schnellen Bewegung zog sie die Schranktür auf. Das
Quietschen des Scharniers ließ sie zusammenfahren, doch Melchior Vesting schien
nichts gehört zu haben. Sie prüfte die Munitionspakete. Das gesuchte Kaliber
war ebenfalls dabei. Vorsichtig zog sie ein Paket hervor und ließ eine einzelne
Schrotpatrone in ihre Manteltasche gleiten. Dann schloss sie die Schranktür,
atmete durch und tat so, als würde sie interessiert die vergilbten
Schwarz-Weiß-Fotografien betrachten, die auf dem alten Kamin standen.
    Männer im Sonntagsrock und mit düsteren Mienen waren darauf
abgebildet, Frauen mit hageren Gesichtern und streng geknotetem Haar. In der
Mitte des Räucherbosen hing eine gerahmte Stickarbeit mit einem Sinnspruch: Ruft einst das Vaterland uns wieder als Reservist und Landwehrmann,
so legen wir die Arbeit nieder und folgen treu der Fahne dann. Du liebe
Güte, dachte sie, wo bin ich hier nur gelandet?
    Melchior Vesting kehrte zurück. Blickte sie mit finsterer Miene an,
als ob er ahnte, dass sie seine Abwesenheit für irgendetwas genutzt hatte.
Heike umklammerte die Patrone in ihrer Manteltasche.
    »War’s das jetzt?«, fragte er schroff.
    »Eine letzte Frage habe ich noch. Wo waren Sie am frühen Nachmittag
    des 24. Juli?«
    »Woher soll ich das heute noch wissen?«
    »Das war der Tag, an dem das Erlenbrook-Kapellener Schützenfest
gefeiert wurde. Sie waren nicht dort und so ziemlich der Einzige aus der
Bauernschaft, der nicht auf der Festwiese war. Wieso nicht?«
    »Ich habe mit meinen Nachbarn nicht viel zu schaffen. Ich lege auch
keinen Wert darauf.«
    »Wissen Sie noch, was Sie zwischen zwölf und zwei getan haben?«
    »Was ich immer um diese Uhrzeit tue: Erst essen wir zu Mittag, dann
bringe ich meinen Sohn zu Bett und setze mich anschließend in die Küche, um die
Zeitung zu lesen.«
    »Haben Sie währenddessen vielleicht aus dem Fenster gesehen? Haben
Sie irgendetwas auf dem Hof der Familie Tönnes bemerkt?«
    »Nein. Ganz bestimmt nicht. Es interessiert mich nicht, was meine
Nachbarn machen.«
    Heike nickte. »Falls Ihnen noch etwas einfällt, möchte ich Sie
bitten, uns sofort zu informieren.«
    Er brummte etwas, was sie als Zustimmung auffasste. Sie
verabschiedete sich und trat vor die Tür. Die Sonne schien ihr entgegen, ein
frischer Wind kam auf, und sie spürte ein Gefühl der Erleichterung. Dieses
dunkle Haus schlug einem aufs Gemüt. Kein Wunder, dass dieser Vesting ein so
sonderbarer Kauz war.
    Bevor sie zurück zum Wagen ging, sah sie noch mal neugierig

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