Bauernjagd
Banküberfalls eingeweiht,
sie wollte unbedingt seine Meinung dazu hören.
Als sie auf die Terrasse traten, blieb Bernd abrupt stehen. »Wow«,
sagte er mit Blick auf den prachtvollen Garten.
Die Anlage hinterm Haus war Sophias Reich. Eine riesige Blütenwiese
und ein Gartenteich trennten die Terrasse vom Nutzgarten. Sophia verwendete
sehr viel Sorgfalt darauf, dass alles wild und ursprünglich aussah. Gerade
jetzt im Herbst hatte sie den Verfall eindrucksvoll inszeniert.
»Wir sitzen viel zu selten hier«, räumte Annika ein.
»Ihr habt es wirklich schön.« Bernd nahm auf einem Gartenstuhl
Platz. »Echt idyllisch.« Dann wandte er sich ihr zu. »Aber jetzt erzähl mal.
Weshalb sollte ich vorbeikommen? Es geht doch nicht nur um die Termine für die
nächste Woche, oder?«
»Nein. Ich möchte deine Meinung zu etwas hören.«
Annika erzählte ihm alles, was sie im Krankenhaus über Melchior
Vesting erfahren hatte. Bernd hörte aufmerksam zu, den Blick auf das Blütenmeer
gerichtet.
»Dieser Typ braucht also Unmengen von Geld für die Behandlungen«,
sagte er. »Und du denkst, dass er deswegen die Bank überfallen hat?«
»Keine Ahnung. Es gibt ja keinerlei Spuren. Das Einzige, was die
Polizei weiß, ist, dass der Täter ortskundig gewesen sein muss.«
»Einer der Bauern aus deiner Nachbarschaft?« Er dachte darüber nach.
»Das könnte hinkommen.«
»Ich habe mir vorgenommen, mit Bernhard Hambrock zu sprechen, dem
Leiter der Mordkommission. Er ist so was wie ein Cousin von mir. Irgendwie um
zwei Ecken.«
Die Terrassentür öffnete sich, und Sophia balancierte ein Tablett
mit Eiscafé heraus.
»Ich bin sofort wieder weg«, sagte sie schnell. »Ich dachte nur, das
hier ist genau das Richtige bei dem schönen Wetter.«
»Ach, Mutter, das wäre doch nicht nötig gewesen.«
»Die sind doch schnell gemacht.« Sie stellte die Eisbecher ab und
verschwand sofort wieder im Haus.
»Na, das nenn ich mal Service«, kommentierte Bernd und probierte den
Eiscafé. »Deine Mutter versteht ihr Handwerk«, sagte er anerkennend. »Wo wohnt
dieser Vesting eigentlich?«
»Wenn du von hier nach Altenberge fährst, kommst du daran vorbei.
Der Hof liegt ein bisschen zurück und ist zur Hälfte im Wald versunken.«
»Du meinst das alte Geisterhaus?« Er schüttelte amüsiert den Kopf.
»Das ist ja mal eine passende Kulisse für so eine Geschichte.«
»Und was denkst du jetzt? Soll ich damit zur Polizei gehen?«
»Ich denke, wir sollten zuerst überlegen, ob das nicht eine Story
wäre. Schließlich wollen wir nicht ewig über Schützenfeste schreiben.« Er
fixierte sie. »Und ich glaube auch, du denkst das Gleiche. Sonst hättest du das
alles nicht mir, sondern deinem Cousin erzählt.«
Sie fühlte sich ertappt. »Mit Bernhard müssen wir trotzdem sprechen.
Das ist eine viel zu große Sache, da dürfen wir der Polizei nichts
verschweigen.«
»Das stimmt. Wir müssen dabei nur aufpassen, dass wir unseren
Vorteil nutzen. Als dieser Jäger erschossen wurde, da saßen wir auch
mittendrin. Aber dann kamen die Reporter aus Münster und haben uns zur Seite
gedrängt. Diesmal müssen wir schneller sein.«
Natürlich hatte Annika mit dem Gedanken gespielt, etwas darüber zu
schreiben – doch jetzt bekam sie plötzlich Angst vor ihrer eigenen Courage.
»Ich überlege nur«, sagte sie, »ob das alles nicht eine Nummer zu
groß für uns ist. Schließlich geht es um bewaffneten Raubüberfall. Außerdem
gibt es da noch diesen unaufgeklärten Mord. Was, wenn alles zusammenhängt?«
»Wir machen das ja nicht im Alleingang. Du redest mit deinem Cousin.
Wir müssen nur aufmerksam bleiben und im richtigen Moment zuschlagen. Dann
haben wir vielleicht Hintergrundinformationen, die in Münster noch keiner
kennt.«
Er bemerkte ihren Gesichtsausdruck und lachte.
»Komm schon, Annika. Denen zeigen wir’s. Für die sind wir zwei
zwanzigjährige Aushilfen, die nichts auf dem Kasten haben. Weckt das denn nicht
deinen Sportsgeist?«
Sie dachte nach und begann dann zu grinsen. »Auf gewisse Weise
schon.«
»Na, wer sagt’s denn. Wir könnten uns den Hof von Vesting schon mal
näher ansehen. Ein paar Fotos schießen, Atmosphäre schnüffeln. Was hältst du
davon?«
Sie spürte ein Kribbeln. Melchior Vesting könnte sie erwischen. Es
war ein Abenteuer.
Bernd boxte sie in die Seite. »Ich sehe also, du bist dabei?«
Sie nickte. »Wann geht’s los? Jetzt gleich?«
»Besser heute Abend. In der Dämmerung wirkt alles viel gruseliger
dort.
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