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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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hinter ihr eine Diele
knarrte, schreckte sie hoch und wirbelte herum.
    Es war Clemens.

20
    Die Morgensonne mühte sich noch, den Dunst zu vertreiben,
der über dem Park schwebte. Die Promenade, die grüne Fahrradstraße entlang der
ehemaligen Stadtmauer, war um diese Uhrzeit nahezu verwaist. Das Leben in
Münster erwachte nur langsam. Übernächtigte Partygänger fuhren auf dem Rad nach
Hause, ab und zu schlurfte ein Passant vorbei, der mit seinem Hund Gassi ging.
    Hambrock saß in seinem Dienstwagen und beobachtete das Geschehen. Er
fühlte sich an früher erinnert, an seine Zeit bei der Essener Polizei. Dort
hatte es noch zu seinen Aufgaben gehört, gelegentlich Observationen
durchzuführen. Seine damaligen Kollegen waren jedes Mal wenig begeistert
gewesen, aber er hatte diese Arbeit gemocht. Er hatte sich eine Strategie
zugelegt, bei der er zwei oder drei wesentliche Punkte genau im Blick behielt
und gleichzeitig den Rest seines Gehirns einfach abschaltete. Es waren Stunden
wie im Stand-by-Modus, in denen er sich entspannte und neue Kraft tankte.
Keiner der anderen hatte das je verstanden, doch bei ihm funktionierte es recht
gut.
    Sein Wagen stand in einer Parkbucht am Rande der Promenade. Von dort
konnte er den Hauseingang jenseits der Sträucher gut einsehen. Nichts würde ihm
entgehen, er hatte Zeit. Erlend ging davon aus, dass er im Fitnessstudio war.
Gemeinsam mit ein paar Kollegen, mit denen er im Anschluss frühstücken gehen
würde. Sie rechnete nicht vor elf Uhr mit ihm. Am Nachmittag wäre dann die
Beerdigung von Ludwig Schulze Ahlerkamp. Hambrock hatte ein schlechtes
Gewissen, weil er schon wieder das halbe Wochenende mit seiner Arbeit verbringen
würde. Deshalb hatte er Erlend gefragt, ob sie nicht Lust hätte, ihn zu
begleiten. Dadurch bekämen sie die Chance, wenigstens ein bisschen Zeit miteinander
zu verbringen.
    »Dich begleiten?« Ihre Augen hatten sich verengt. »Zu einem
Polizeieinsatz?«
    »Es ist kein Polizeieinsatz. Du würdest mit mir zu meiner Familie
fahren. Die meiste Zeit sitze ich da eh nur rum. Wir könnten es uns gemütlich
machen, und du hättest die Chance, meine Familie besser kennenzulernen.«
    Erlend war ein Lächeln über das Gesicht gehuscht, und er hatte sich
beeilt hinzuzufügen: »Mir wäre es ja auch lieber, wir könnten auf dem Aasee
Tretboot fahren. Aber es geht nun mal nicht.«
    »Das ist es doch gar nicht. Ich wundere mich nur über deinen
Sinneswandel.«
    »Was meinst du damit?«
    »Bis vor ein paar Wochen wusstest du gar nicht, dass diese
entfernten Verwandten überhaupt existieren. Am Anfang warst du sogar ziemlich
genervt von ihnen. Und jetzt tust du so, als wolltest du mich deinen Eltern
vorstellen.«
    Hambrock hatte darauf nichts zu sagen gewusst.
    »Lass mal, Bernhard, ich komme gerne mit. Ich freu mich darauf, sie
alle einmal kennenzulernen.«
    Auf der anderen Straßenseite passierte etwas. Die Eingangstür
öffnete sich, und jemand trat aus dem Haus. Es war Tobias Teuber, Erlends
Arbeitskollege. Er trug Turnschuhe und Jogginghosen, hüpfte ein paar Mal auf
der Stelle, machte kurze Dehnübungen und lief dann in mäßigem Tempo auf die Promenade.
Hambrock beobachtete, wie er hinter ein paar Bäumen verschwand. Er blickte auf
die Uhr. Die Promenade war viereinhalb Kilometer lang, mal sehen, wie lange
Teuber für eine Umrundung brauchte.
    Es dauerte knappe dreißig Minuten, bis er auf der anderen Seite
auftauchte. Inzwischen war er völlig verschwitzt, sein Atem ging stoßweise, er
bremste ab und humpelte über den Rasen zurück zu seiner Wohnung. An einer
Parkbank machte er halt und begann mit seinen Dehnübungen.
    Hambrock schnappte sich die Brötchentüte vom Beifahrersitz, die er
eigens hierfür besorgt hatte, und stieg aus dem Wagen. Langsam und scheinbar in
Gedanken versunken schlenderte er an Tobias Teuber vorbei. Es dauerte zwar,
doch schließlich reagierte der.
    »Bernhard!«, rief er ihm hinterher. »Das ist ja eine Überraschung.«
    Hambrock sah sich um und tat erstaunt.
    »Tobias! Du lieber Himmel, ich war so in Gedanken, ich wäre fast
vorbeigegangen.«
    Hambrock trat auf die Rasenfläche und gab ihm die Hand.
    »Du bist früh unterwegs«, sagte er und deutete auf seine verschwitzten
Sportsachen. »Ich sollte mir wohl ein Beispiel an dir nehmen. Ein bisschen
Sport könnte mir auch nicht schaden.« Er schlug sich auf seinen Bauch und lachte.
    Teuber tat es mit einer Handbewegung ab.
    »Ich mach das nur, um Dampf abzulassen. Wenn man den ganzen Tag

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