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Bauernjagd

Bauernjagd

Titel: Bauernjagd Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Holtkötter
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Frauen drehten sich um. Polizeiwagen
umrundeten sie. Beamte sprangen auf den Hof. An der Stallwand tauchten die
beiden Personenschützer auf. Sie liefen auf einen uniformierten Beamten zu,
einem älteren Mann mit grauem Bart, offensichtlich der Einsatzleiter.
    »Er ist weg. Weit kann er aber noch nicht sein.«
    Einen kurzen Moment lang berieten sich die Männer, dann begann der
Einsatzleiter, Befehle zu erteilen. Ada sah zur offenen Stalltür. Sie
überlegte. Etwas stimmte hier nicht.
    »Er hätte mich doch angreifen können. Warum hat er das nicht getan?«
    Marita blickte sie verwirrt an. Sie schien gar nicht zu begreifen,
was passierte.
    »Ich bin eine alte Frau«, meinte Ada. »Es hätte nicht viel
gebraucht, um mich zu überwältigen.«
    »Spielt das denn jetzt eine Rolle?«
    Doch Ada hatte sich bereits von ihr abgewandt. Entschlossen steuerte
sie die Stalltür an.
    »Bitte gehen Sie ins Haus«, sagte einer der Uniformierten. »Warten
Sie dort, bis alles vorbei ist.«
    Aber Ada achtete gar nicht auf ihn. Sie betrat den Kälberstall.
    »Frau Horstkemper! Bitte gehen Sie ins Haus!«
    Sie tauchte in das Licht der Leuchtstoffröhren. Die Kälber waren nun
allesamt hellwach. Sie liefen unruhig herum, aufgescheucht von der plötzlichen
Aufregung.
    »Frau Horstkemper! Verdammt noch mal!«
    Doch Ada hatte einen Verdacht. Was immer dieser Mann hier wollte, er
hatte es nicht auf sie abgesehen.
    Der Polizist war hinter ihr aufgetaucht. »Bitte verlassen Sie den
Stall. Sie können hier nicht einfach herumlaufen. Das ist jetzt ein
polizeilicher Ereignisort.«
    »Warten Sie. Einen Moment noch.«
    Der Polizist würde sie heraustragen müssen, wollte er sich
durchsetzen. Ada erreichte den Gang zur Krankenstation. Die Tür war nur
angelehnt. Sie drückte sie vorsichtig auf. Am Boden lag Shakira. Sie rührte
sich kaum, lag einfach schwer atmend da und blickte Ada verständnislos an. Erst
jetzt bemerkte sie das Blut. Shakiras Bauch war rot eingefärbt, Blutrinnsale
liefen an ihrem Fell herab und tropften ins Stroh.
    »Du lieber Gott!«, entfuhr es Ada.
    Shakiras Eutervene war aufgeschnitten worden, gerade so weit, dass
sie nicht gleich starb, sondern langsam und qualvoll verblutete.
    Sie handelte schnell. Warf sich auf die Knie und riss sich die Jacke
vom Körper. Dann drückte sie den Stoff verzweifelt gegen Shakrias Bauch. Doch
sie konnte kaum etwas ausrichten, schon nach kurzer Zeit quoll überall das Blut
hervor. Der Polizist stand immer noch hinter ihr und betrachtete verdutzt die
Szene.
    »Glotzen Sie nicht so blöd!«, brüllte sie ihn an. »Rufen Sie den
Tierarzt! Sofort!«

21
    Shakira wurde gerettet. Der Tierarzt war gerade noch
rechtzeitig eingetroffen, um die Blutungen unter Kontrolle zu bringen und die
Kuh zu stabilisieren. Tante Ada hatte gar nicht mehr aufhören wollen, sich bei
ihm zu bedanken. Unter Tränen zwang sie ihm einen Korb mit Milch und Käse auf.
    Jetzt stand sie in der Diele und telefonierte mit Bernhard Hambrock,
ihre Stimme drang leise in die Küche. Annika saß am Tisch und sah ihrer Mutter
dabei zu, wie sie Kaffee kochte und den Tisch deckte. Sophia verlor kein Wort
über das, was passiert war. Sie tat, als gälte ihre ganze Aufmerksamkeit dem
Frühstückstisch. Doch sie war in Gedanken weit weg.
    Die Küchentür öffnete sich, und Tante Ada trat ein.
    »Bernhard weiß Bescheid«, sagte sie. »Er macht sich gleich auf den
Weg zu uns.«
    Dann ließ sie sich kraftlos auf einen Stuhl sinken. Sie sah
abgekämpft aus. Vor einer Stunde hatte sie noch energisch mit den Polizisten
herumgestritten, doch nun schien alle Lebenskraft aus ihr geflossen zu sein.
Annika wurde sich in diesem Moment bewusst, dass ihre Tante langsam auf die
siebzig zuging. Ada war so energiegeladen, dass keiner sich je Gedanken über
ihr Alter machte. Doch nun wirkte sie plötzlich grau und schrecklich müde.
    Sophia goss ihr Kaffee ein.
    »Shakira kommt wieder auf die Beine«, sagte sie. »Sie wird uns noch
lange erhalten bleiben. Der Kaffee ist stark, du kannst ihn gebrauchen.« Sie
stellte die Kanne zurück. »Und jetzt mach ich uns allen Rührei mit Speck. Nach
einem ordentlichen Frühstück sieht die Welt wieder anders aus.«
    Annika wunderte sich über das Verhalten ihrer Mutter. Auf das tote
Huhn hatte sie noch ganz anders reagiert. Doch Tante Ada schien das gar nicht
zu bemerken. Sie sank noch tiefer in sich zusammen.
    »Ich glaube nicht, dass ich heute einen Bissen herunterbekomme«,
sagte sie.
    Sophia legte ihr sanft die

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