Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
melden, wie es sein Auftritt bislang vermuten ließ.
»Roland, wir tauchen eine Zeit lang ab.«
»Aber ...«
»Keine Diskussion. Ich habe die Anweisung bekommen, auf Normalbetrieb zu fahren. Molitor muss erst einmal fit werden. Außerdem brauchen wir Ersatz für Pilsner, das dauert alles.«
»Na gut, doch ...«
»Ein Reporter war bei uns im Betrieb. Admir und Rashit haben den zwar ziemlich aufgemischt, und der wird in Zukunft keinen Ärger machen, das Problem ist nur, dass die Bullen auch an Pilsner dran waren.«
»Was? Habt ihr was unternommen?«
»Er hat sich umgebracht.«
»Das ist ja praktisch.« Görgen lächelte erleichtert.
»Nicht wahr?« Resslers Blick wurde undurchdringlich.
»Ist denn nicht noch was unterwegs?«
»Ja, heute Abend kommt eine Ladung Rinderhälften in den Betrieb. Die Etiketten und Nachweisunterlagen sind auch da. Ich habe dich hergebeten, weil wir einen Teil ausnahmsweise über deine Bücher laufen lassen wollen.«
»Das passt mir eigentlich nicht. Du weißt ja, dass mein Alter das schnell raushatte und wir den Alleenhof sauber halten wollten.«
»Es muss aber sein!« Die altbekannte Härte kam durch.
»Okay. Eine Ausnahme, nur eine! Es reicht mir schon, dass wir das Gammelfleisch in meiner Metzgerei zerlegen. Wenn das Gesundheitsamt überraschend auf der Matte steht, werden die Probleme so groß wie die Basilika.«
»Du verdienst doch prima. Dein Metzger schnippelt ein bisschen da rum und du machst dicke Kohle. Ich wette, du lebst nur von unserem Geld, und bezahlst deine Bude mit dem Geld aus dem Hof.«
»Das ist meine Sache.«
»Ist mir auch egal. Das Fleisch kommt heute um achtzehn Uhr dreißig im Betrieb an. Ich etikettiere um und schicke einen Lkw zu dir raus.«
»Ich komme mit dem eigenen Laster, dann kann ich den Papierkram mitnehmen.«
»Wie du willst. Wir nehmen die zwei Jungs mit, damit nichts anbrennt. Ich bin etwas nervös.«
Wenige Minuten später brachen die beiden auf.
Lichthaus wusste, dass Eile geboten war. »Wir machen den Zugriff auf dem Betriebsgelände von Schneider und Jost.« Brauckmann beantwortete seinen fragenden Blick mit einem zustimmenden Nicken. »Holger und Siri, ihr kümmert euch um die Vorbereitung. Verfolgt auch Resslers Auto. Ich will kurz weg, habe da noch etwas zu klären.« Alle schauten ihn fragend an. »Erkläre ich ein andermal, ich muss jetzt los.«
Steinrausch sah ihn zweifelnd an: »Was meinst du nun zu den Morden? War Ressler beteiligt? Denkst du nicht, dass er gelogen hat, um Ruhe zu bekommen?«
»Doch natürlich. Die beiden Alten aus dem Weg zu räumen, hat sich aus seiner Sicht doch geradezu geboten. Görgen ist ihnen nach und nach auf die Schliche gekommen, und Kaiser ist zu gierig geworden. Aber wie siehst du Roland? Könnte der so ruhig bleiben, wenn er wüsste, dass sein Vater von seinen Komplizen ermordet worden ist? Was ist mit der Folter, mit den Anrufen, mit denen der Täter mich und diese Bergner zur Hinrichtung eingeladen hat. Das soll Ressler gewesen sein? Also über die Brücke gehe ich noch nicht.« Er erhielt keine Antwort auf seine Fragen und Zweifel. Die anderen dachten im Prinzip wie er.
Zwanzig Minuten später fuhr er in Richtung Wittlich auf die Autobahn.
*
Clara Bentheim öffnete ihm die Tür und lächelte ihm herzlich entgegen. Claudia war ihrer Mutter wie aus dem Gesicht geschnitten, nur das rötliche Haar hatte sie von ihrem Vater, der aber mittlerweile grau geworden war. Clara hatte ihrer Tochter jedoch nicht nur das Äußere vererbt, sondern auch das Talent zur künstlerischen Gestaltung. Ihren Beruf als Rechtspflegerin hatte sie gerne aufgegeben, um sich der Erziehung ihrer beiden Kinder und ihren Neigungen zu widmen. Die Wände des Hauses waren voll von ihren Landschaftsbildern und den Schwarzweißfotografien, die sie bis heute mit einer Hasselblad der fünfhunderter Serie schoss und selbst entwickelte. Nur über dem Sofa hing ein Gemälde von Claudia.
Die Bentheims lebten in einem schönen Bungalow aus den frühen Siebzigerjahren in einem Vorort, der ein wenig erhöht lag, wodurch sich aus dem Wohnzimmer ein tolles Panorama der Wittlicher Senke mit den dahinter liegenden Eifelbergen bot. Karl saß im Esszimmer und kramte in Unterlagen, die den halben Tisch bedeckten. Er hob den Kopf leicht an, um durch den Lesebereich seiner Brille sehen zu können, und las konzentriert. Mit seiner Wollhose und dem warmen Pullover, dazu die ergrauten Haare, wirkte er wie der Inbegriff des gütigen
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