Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
reagieren und nicht wieder taktieren. »Na los, geben Sie mir eine Antwort. Ich warte nicht länger.«
»Also ich ...«, sie brach ab wie ein stotternder Motor.
Er schrie: »Ja oder nein?«
»Jaaa!« Sie kreischte und dehnte das Wort, bis es in einem klagenden Laut verebbte, dann krachte sie ihren Kopf auf den Tisch, noch bevor die beiden Männer eingreifen konnten. Haltloses Weinen schüttelte ihren Körper durch. »Er ist rausgekommen und weggerannt. Voller Panik. Sein Auto ist woanders gewesen. Ich habe nichts gehört. Ich ...«
»Das hätten Sie uns gleich erzählen müssen!« Sie hob den Kopf und schaute ihn ängstlich an. Ihre Haut hatte eine gelblich-fahle Farbe angenommen. »Geben Sie Ihre Aussage dem Kollegen, der gleich kommt, zu Protokoll.« Mitleid stieg in ihm auf. »Ich denke, Herr Brauckmann wird Ihre Mitarbeit positiv bewerten. Mal sehen, ob Sie trotzdem nach Danzig fahren können.«
Er sah zum Staatsanwalt hinüber, der nur leicht nickte.
»Danke, Herr Kommissar.«
Lichthaus winkte ab und verließ wortlos den Raum.
*
Zurück in seinem Büro schob Lichthaus die Vorbereitung zur Festnahme von Alexander Görgen an. Sie würden losfahren, sobald Brauckmann den Haftbefehl hatte. In der Zwischenzeit erreichte er Claudia auf dem Handy. Henriette hatte sich beruhigt und schlief tief und fest. Der Arzt war entspannt geblieben und hatte lakonisch auf eine Brechdurchfallwelle verwiesen, die die Runde machte. Mit dem Wunsch, dass sie sich nicht angesteckt haben mochten, hatte er die beiden verabschiedet.
Kurz darauf kam Frank Tiefenbach durch die Tür. Der blonde Hüne leitete die Sokotruppe. Er war schon seit Jahren im Innendienst der Kripo und brachte viel Erfahrung mit ins Team. »Görgen, der Alte, also unser Opfer, hatte ein Schließfach.«
»Wie habt ihr das denn rausgefunden?«
»Er hat es bei seiner Hausbank unterhalten«, der Kollege grinste, »die es uns natürlich angezeigt hat.« Seine Zähne blitzten beneidenswert weiß in einem perfekt rasierten Gesicht.
Lichthaus’ Neugier wuchs: »Manchmal hat man Glück. Was war drin?«
»Kein Geld, nur Papiere. Zurzeit gehen wir eine Akte mit Verträgen und Unterlagen durch. Görgen hat darin alles ungeordnet abgeheftet. Das macht uns Hoffnung. Es sieht so aus, als wäre das sein Privatarchiv. Es wird allerdings ein oder zwei Tage dauern, bis wir da durch sind.«
»Was ist denn nun so interessant, dass du zu mir reinkommst?«
»Einige weitere Drohbriefe, die er mit Daten versehen hat. Vor etwa vier Monaten ist der erste gekommen. Der Inhalt ähnelt dem der anderen Schreiben. Religiöse Pamphlete mit Drohungen und wirrem Gefasel. Wir haben am Vormittag jedes Wort mehrfach gelesen und analysiert, werden jedoch nicht schlau draus.«
Lichthaus griff sich mal wieder die Glaskugeln und ließ sie zwischen seinen Händen hin und her fliegen. »Wenn er sie in einem Schließfach aufgehoben hat, wird er sie ernst genommen haben, ansonsten hätte er sie achtlos weggeworfen. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum er nicht zur Polizei gegangen ist?«
*
Sie trafen sich eine halbe Stunde später im Besprechungsraum. Lichthaus, Siran und Steinrausch, dazu zwei Streifenpolizisten, wie sie nicht hätten gegensätzlicher sein können. Er baumlang und dürr wie eine Bohnenstange, sie wesentlich kleiner und stämmig, ohne dick zu sein. Spannenlanger Hansel, nudeldicke Dirn klang das alte Kinderlied durch Lichthaus’ Kopf. Er grinste und wollte den beiden gerade den Einsatz erklären, als Siran die Kollegin überschwänglich begrüßte und umarmte.
»Ihr kennt euch?«
Siran strahlte. »Wir waren gemeinsam auf einem Lehrgang.«
Tanja Jünflich befreite sich aus der Umarmung und überspielte leicht errötend mit einer Frage die Situation: »Gibt es Punkte, auf die wir heute achten müssen?«
Lichthaus erwiderte den offenen Blick der jungen Frau. Sie war hübsch mit ihren braunen Haaren und einem weichen Gesicht, in dem er kindliche Züge noch erahnen konnte, doch ehe er auch nur ein Wort herausbrachte, begann Siran. Seine Augen funkelten, und es war kaum zu übersehen, wie sehr ihm das Mädchen gefiel. Lichthaus ließ ihn gewähren, denn er machte seine Sache gut. Der Einsatz war nicht ohne Risiko. Sie gingen zwar nicht davon aus, dass Görgen bewaffnet war, fürchteten aber dessen spontane Gewaltbereitschaft und warnten die Uniformierten. Kurz darauf waren sie auf dem Weg.
Später im Auto stichelte Lichthaus. »Nett!«
»Wer?«
Steinrausch feixte
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