Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
finden und ...«
Ihre Stimme hatte sich aufgewärmt, klang jedoch zutiefst traurig, als sie ihn unterbrach: »Sie verdächtigen Alex doch, warum sagen Sie es nicht geradeheraus?« Wieder das leise Schniefen.
»Natürlich, er hat ein Motiv. Roland auch oder sonst wer. Ich suche Antworten, um Gut und Böse unterscheiden zu können. Das ist wie ein Puzzle, wir sammeln Teile, die zu den Fakten passen. Eines dieser Teile ist die Frage, ob Ihr Mann religiös ist.«
»Wieso?«
Lichthaus legte die Glaskugeln zurück in ihre Schachtel und zögerte einen Moment. Wenn er Daten preisgab, könnten sie bei Alexander oder anderen Personen landen, und so dem Täter helfen, seine Identität zu verschleiern. Andererseits würde Sabine Görgen gerade in ihrer momentanen Verfassung wohl die Wahrheit sagen. Er entschied sich für einen Zwischenweg. »Es gibt Anhaltspunkte, dass der Mörder religiös motiviert gehandelt hat.«
»Alex ist nicht der Mörder!«
»Sie möchten mir also nicht antworten?«
»Nun«, sie zögerte, rang sich dann zu einer Aussage durch, »er war zeitweilig in einer Freikirche aktiv, eine Pfingstgemeinde oder so etwas, ich weiß auch nicht genau.« Sie dachte einen Augenblick nach. »Wir sind eigentlich katholisch, er ist jedoch vor etlichen Jahren ausgetreten, und hat später in dieser Gemeinde Hilfe für seine Probleme gesucht. Wie sich die Gruppe genau nennt, hat mich nie interessiert, da das nach unserer Trennung, aber noch vor seiner Therapie war. Für mich war er verloren.« Sie weinte jetzt. »Leider. Geholfen hat’s nicht, wenn Sie es genau wissen wollen. Ihm geht es erst besser, seitdem er von einem Psychologen eng betreut wird. Bei seinem letzten Besuch war er wieder wie früher, vorgestern am Telefon schien er aber von der Rolle zu sein, doch wen wundert’s? Der Mord an seinem Vater und dann die erneute Konfrontation mit all den Konflikten, die er hinter sich glaubte.«
»Wie heißt der Psychologe?«
»Das kann ich Ihnen nicht sagen.«
»Ist die Gemeinde in Koblenz?«
»Wie bitte?« Sabine Görgen schrak aus ihren Gedanken auf. »Nein, den Rhein abwärts unterhalten die glaube ich ihr Gemeindezentrum. Er hat mal etwas erzählt, als er die Kleine besucht hat. Machen Sie ihn nicht kaputt, Lea braucht ihren Vater. Und ich auch.«
»Wenn möglich, bekommen Sie ihn unbeschadet wieder.«
Gedankenverloren betrachtete er ein Bild Claudias, das bisher in jedem seiner Büros gehangen hatte, seitdem sie es ihm vor Jahren gemalt hatte. Sie fand, bei seiner Arbeit in der Kaserne, wie sie das Präsidium konsequent nannte, könne und solle er darin Orientierung finden. Eine abstrakt gezeichnete Person stand gebeugt vor grau-diffusem Hintergrund und schien zu weinen. Der Gesichtsausdruck war von Trauer verhärmt. Vergiss nie die Opfer, hatte Claudia kommentiert. Alexander geriet zunehmend in den Fokus. Religiös, psychisch labil und voller Hass auf den Vater. Dazu die Neigung zur Gewalt. Nach der Befragung von Elzbieta Kowalski würde er einen Vergleich von Görgens genetischem Fingerabdruck mit den Spuren, die an der Leiche gefunden worden waren, veranlassen. Dann hätten sie Gewissheit.
Er rieb sich die Augen. Sein Kopf drohte zu platzen.
*
Um halb zehn betrat er schlecht gelaunt mit Steinrausch im Schlepptau den Verhörraum. Die eingeworfene Tablette half immer noch nicht, und er wünschte sich ins Bett. Der einzige Lichtblick war Sirans Çay gewesen, den er sich eben schnell gegönnt hatte. Dazu hatte der Kollege wie so oft etwas Süßes gereicht. Heute waren es Hanim Göbegi gewesen, ein klebriges kleines Gebäck mit Pistazien, das übersetzt Frauennabel bedeutete. Zusammen mit dem Tee köstlich.
Er setzte sich grußlos und musterte Elzbieta Kowalski, die bereits saß, während Steinrausch begann, die Daten aufzunehmen.
Die Polin wirkte müde, doch zeigte der kurze Blick, den sie ihm zuwarf, keine Angst oder Schuld, allenfalls eine tiefe Unruhe. Sie hatte Falten um die Augen und, wie er jetzt bemerkte, einen bitteren Zug um den Mund. Die blondierten Haare waren ordentlich gekämmt, aber ungewaschen.
»Wieso sind Sie einfach verschwunden?« Er verzichtete auf Floskeln.
Ihr Akzent war stark ausgeprägt, als sie in fast fehlerfreiem Deutsch, aber schroff antwortete. »Ich musste schnell nach Hause.«
»So schnell, dass Sie nicht einmal den Görgens Bescheid geben konnten?«
»Ja und?«
»Das müssen Sie mir erklären.«
»Warum?«
»Nun ganz einfach: Sie haben Silke Fischbach angerufen
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