Bauernopfer: Lichthaus' zweiter Fall (German Edition)
hätten.
»Und nachdem Marek weg war, brauchten wir die Euros der Görgens umso mehr. Ich bin eine Wanderarbeiterin geworden, die nur ab und zu auf Besuch nach Hause kommt. Irgendwann ist Pawel dann endgültig verschwunden, ohne Schulabschluss ist er weg. Seit einem Jahr gibt es keine Nachricht. Kamila geht jetzt in Warschau zur höheren Schule«, stolz zitterte ihre Stimme, so als ob sie sich einreden wollte, dass doch nicht alles umsonst gewesen wäre. »Mein Geld nimmt sie, spricht aber nicht mit mir. Unser Zuhause ist so leer wie mein Leben. Renate ist zu meiner Freundin geworden, als es ihr im vergangenen Jahr wieder etwas besser gegangen ist. Eigentlich habe ich nur noch sie. Was für ein Witz!« Ihre Blicke durchbohrten Lichthaus, und er schaute weg, konnte der Anklage darin nicht standhalten.
»Wieso sind Sie gestern weggelaufen?«
Elzbieta Kowalski schluckte trocken und schwieg lange. Jetzt kommt es, dachte Lichthaus, als sie endlich tonlos, wie versteinert fortfuhr. »Sie haben Pawel in Gdansk gefunden. Er hatte ein Messer im Rücken und wird wahrscheinlich sterben. Der Polizist hat gesagt, er sei wohl in schlechte Gesellschaft geraten. Sehen Sie, Herr Kommissar, das ist meine Strafe und ich muss dahin, heute noch, verstehen Sie? Ich muss meinem Kind doch beistehen, ihm helfen.«
Die Frau tat ihm leid und auch Steinrauschs Blick sprach Bände. Trotzdem war er frustriert. Er nickte und schaute zum Spiegel. »Siran, prüf das bitte so schnell wie möglich«, dann wandte er sich wieder der Polin zu. »Was war in der Nacht zum Dienstag?«
»Ich habe gehört, wie das Tor des Stalls aufgerollt wurde. In der Wohnung rauche ich nie, deswegen stelle ich mich unten neben das Haus.«
»Haben Sie jemanden gesehen?«
Ein kurzes Zögern. »Nein.«
»Sicher?«
»Ja.«
»Wenn Sie einen Mörder decken, gibt es üble Strafen.«
Der gerade noch so trübe Blick war nun einem wachsamen Leuchten gewichen. »Nein, da war keiner.«
»Und dann?«
»Ich habe einen Lichtschimmer im Stall gesehen und gewartet, was passiert. Als niemand rausgekommen ist, bin ich vorsichtig rüber und habe nachgeschaut, aber nichts hat sich gerührt. Ich wollte gerade das Tor schließen, als die Schweine angefangen haben zu lärmen. Also bin ich reingegangen und hab Horst tot dort hängen sehen. Da bin ich schnell in meine Wohnung zurück um zu warten, bis er gefunden wird.«
»Nein, Sie haben Silke Fischbach angerufen.«
»Ja, ich war so dumm, das zu tun.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber sie hat es verdient, ich musste es ihr sagen, wollte ihr wehtun.«
»Woran war sie schuld?«
»Als Horst mit ihr rumgemacht hat, ist es Renate noch schlechter gegangen als vorher, und ich konnte gar nicht mehr nach Hause zu den Kindern.«
»Frau Fischbach hat Herrn Görgen dazu gebracht, einen neuen Versuch zu starten.«
»Ja klar. Aber nur weil sie wusste, es würde danebengehen. Er hat sich erst danach völlig von Renate abgewendet. Jetzt konnte die Fischbach ihn ganz haben. Dieses Weib hat sie ausgetrickst.«
»Erlauben Sie mir ein offenes Wort: Haben Sie schon einmal überlegt, dass für das Scheitern einer Ehe immer zwei verantwortlich sind?«
Elzbieta Kowalski starrte ihn fassungslos an. »Nicht immer.«
»Als wir mit Renate Görgen gesprochen haben, hat sie selbst so etwas gesagt wie: Ich hab es versaut.«
»Aber ...«, sie brach ab. »Alles nur Lüge.« Anschließend schwieg sie so lange, bis Lichthaus aufgab, die Vernehmung abbrach und in den Flur trat, wo Brauckmann auf ihn wartete.
Noch bevor Lichthaus etwas sagen konnte, stürzte Siran heran. »Alexander Görgen hat am Tatabend den Wagen seiner Frau gefahren: einen älteren weinroten Passat.«
»Das gibt es nicht!«
»Doch! Er ist nicht mit seinem eigenen Auto unterwegs gewesen. Seiner Frau hat er erzählt, er müsse etwas Sperriges transportieren, und sie haben getauscht.«
Alle drei drängten sich jetzt in den Vernehmungsraum, wo Elzbieta Kowalski auf ihrem Stuhl saß wie vor der Unterbrechung, beim Anblick des Staatsanwalts aber doch nervös zu werden schien.
»Alexander war im Stall, oder?« Lichthaus hatte sich nicht einmal gesetzt und frontal angegriffen. Die Polin wirkte einen Augenblick geschockt, und er hakte nach, wurde laut: »Lügen Sie mich jetzt bloß nicht an, sonst sorge ich dafür, dass Sie Ihren Sohn so schnell nicht zu Gesicht bekommen.«
Ihre Augen spiegelten ihren inneren Kampf wider, doch er wollte ihr keine Zeit zum Überlegen lassen. Sie sollte spontan
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