Bauernopfer
Display.
»Valentin.«
»Hallo, Seppl, Bruce hier. Geht’s gut?«
»Servus, Heinz, gestern ging’s noch. Was gibt’s denn?«
»Ich hab gerade auf dem Notruf einen anonymen Anruf erhalten, aus einer Telefonzelle in der Hagauer Straße, männliche Stimme. Der Anrufer sagte, der Vorsitzende vom Gewerbeverband Süd habe am letzten Mittwoch beim Wirt verkündet, den Bichler sollte man erschießen. Das war’s schon. Mehr hat er nicht gesagt.«
»Kannst du mir auch noch sagen, wie der Vorsitzende vom Gewerbeverband heißt und wo ich ihn erreichen kann?«
»Robert Pfalzner. Hat ein Fernsehgeschäft in der Schrobenhausener Straße.«
»Du bist der Beste, Fischkopf. Schreibst du bitte einen Aktenvermerk über das Ganze! Servus.«
»Tschüss, Seppl!«
Das Fernsehgeschäft sah aus, als wäre es früher eine Bäckerei gewesen. In zwei Schaufenstern zur Schrobenhausener Straße hin standen mehr oder weniger moderne TV-Geräte und DVD-Player. Dazwischen lag die Eingangstür mit Glasfüllung und darüber war eine Leuchtreklame mit dem Firmennamen »Radio – TV – Hi-Fi – Pfalzner« angebracht. Nach dem Eintreten standen Charly und Sandra vor einem Tresen. Dahinter stapelten sich in einem Regal bis unter die Decke weitere Radios, Stereoanlagen und Fernseher. Charly hatte den Eindruck, die Geräte wären leicht überteuert. Aber dafür bot der kleine Stadtteilladen vermutlich einen kostenlosen
24-Stunden-Service.
Die Tür hatte beim Eintreten einen Ton wie eine Fahrradklingel erzeugt und der vermeintliche Ladeninhaber kam aus dem Hinterzimmer. Charly erklärte ihm, warum sie hier waren, und der Mann wusste zunächst gar nicht, was er sagen sollte. Dann schien er sich wieder zu erinnern.
Er war letzten Mittwoch tatsächlich zusammen mit einem Kollegen beim Bichler gewesen. Sie hatten mit ihm verhandeln wollen, weil für nächstes Jahr eine Gewerbeausstellung für die südlichen Ortsteile geplant war. Alle Wiesen, die dafür als Standort oder Parkplatz in Frage kamen, gehörten dem Bichler. Die beiden hatten die Befugnis der Vorstandschaft, dem Bichler ein Angebot zu unterbreiten, das seinen Verlust an Heu und Futtergras beinahe doppelt wettgemacht hätte. Aber Bichler hatte das gar nicht interessiert. Solange er lebe, würde der Gewerbeverband auf seinen Wiesen keine blöden Ausstellungen machen, hatte Bichler geschrien. Man hatte überhaupt nicht mit ihm verhandeln können. Darum waren Pfalzner und sein Kollege wieder abgezogen. Und weil sie so stinksauer auf Bichler waren, hatte sie ihr Weg direkt zum Dorfwirt in Knoglersfreude geführt. Ob die Äußerung, Bichler sollte man erschießen, tatsächlich so gefallen war, konnte er nicht sagen. »Aber wenn das behauptet wird, dann wird’s schon stimmen. Ich war am Mittwoch wirklich in der Stimmung, diesen Querulanten zu erschießen.«
Bichler wurde jedoch nicht am Mittwoch getötet, sondern am Samstag. Und am Samstag war Pfalzner bis um 14.00 Uhr in seinem Geschäft gewesen, was verschiedene Kunden bestätigen konnten. Danach hatte er zwei Fernseher ausgeliefert, die er bei den Kunden auch aufgebaut und eingestellt hatte. Schließlich hatte er einen dritten Fernseher neu justiert, bevor er gegen 18.00 Uhr nach Hause gekommen war und den Abend mit seiner Frau verbracht hatte.
Sandra notierte sich Namen und Anschrift des Verbandskollegen und der Kunden, die am Samstag neue Fernseher bekommen hatten. Außerdem wusste Pfalzner als Vorsitzender des Gewerbeverbandes Süd, dass sich die Firma Gessler vor einiger Zeit für eines von Bichlers Grundstücken an der Donau interessiert hatte. »Es kam aber natürlich nicht zu dem Geschäft.«
»Anscheinend hat der Typ wirklich mit jedem gestritten«, stellte Sandra fest, als sie wieder im Wagen saßen.
»Konsequent war er schon, wenn man so will«, antwortete Charly und war überrascht, dass er es fast positiv meinte. Bichler mochte zwar keinen anderen und kein anderer mochte ihn, aber seine Lebensweise erleichterte manche Sachen ungemein. Charly konnte sich vorstellen, dass man ab und zu nicht schlecht damit fuhr, wenn man so lebte. Einfach nicht scheinheilig zu sein, sondern es frei heraus zu sagen, wenn einem etwas nicht passte. Das hatte nur den Nachteil, dass man nach einiger Zeit vermutlich keine Freunde mehr besaß.
»Was machen wir jetzt?«, fragte Sandra.
»Ich weiß zwar nicht genau warum«, sinnierte Charly, »aber jetzt schauen wir noch mal beim Manfred seiner Hütte vorbei.«
Kurz darauf parkte Sandra
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