Bauernopfer
berichtete. Von der Aufforderung zum Abnehmen sagte er lieber nichts. Sonst würde Petra nur wieder auf die Idee kommen, die Ernährung müsse umgestellt werden.
»Weißt du was, Schorschi?« Eine rhetorische Frage, die erfahrungsgemäß eine unumstößliche Mitteilung einleitete. »Wir könnten endlich mal unsere Ernährung ändern. Immer Fleisch ist auch nicht so gesund. Öfter mal Gemüse oder Rohkost.«
»Genau«, stimmte Charly gebremst enthusiastisch zu.
»Und ein paar Kilo weniger könnten uns ja auch nicht schaden«, schnurrte Petra, während sie versuchte, das Waschbrett unter der schützenden, weichen Schicht zu ertasten.
Mittwoch, 15. Oktober
Kurz vor 07.00 Uhr kamen Sandra und Helmuth ins Büro und begrüßten Charly, der schon seit einer halben Stunde in dem Aktenstapel auf seinem Schreibtisch herumwühlte. Erfreut hatte er nach dem Wachwerden festgestellt, dass die Schmerzen in der Schulter verschwunden waren und sofort den Entschluss gefasst, sich heute zunächst um nichts anderes als die anderen Fälle zu kümmern, damit sie vom Schreibtisch verschwanden. Voller Schwung war er ins Bad getanzt und war dabei mit dem kleinen Zeh derart an den Türrahmen gestoßen, dass ihm schwarz vor Augen geworden war. Jetzt ließ der Schmerz langsam.
Während des ganzen Vormittags war es relativ still im Büro. Charly und Sandra vertieften sich in den vorliegenden Schriftverkehr der anstehenden Fälle. Ab und zu unterbrach ein Telefongespräch oder eine fachliche Frage von Sandra die konzentrierte Ruhe. Öfter jedoch zerriss Helmuths Fluchen die Stille. Er hatte nämlich begonnen, die bisherigen Vernehmungen und Aktenvermerke auszuwerten, indem er Personalien, Adressen, Fahrzeuge, Telefonnummern und sonstige Daten in STUPID übertrug und dann Verknüpfungen anlegte, die zeigen sollten, wie die Dinge zusammenhingen.
»Zefix«, zischte Helmuth seinen Monitor an, wenn wieder eine seiner Verknüpfungen in eine falsche Richtung ging oder der PC Sachen machte, die Helmuth nicht nachvollziehen konnte. Alles wieder löschen, noch mal von vorn. »Zefix, Zefix.«
Bis zum Mittag hatten Charly und Sandra einen Großteil der unaufschiebbaren Routinearbeiten erledigt. Charly holte Leberkäs-Semmeln für sich und seine Kollegen und während sie es sich schmecken ließen, besprachen sie das weitere Vorgehen.
»Zefix, Zefix.« Helmuth war mit der Erfassung in STUPID noch weiterhin ausreichend beschäftigt.
Charly wollte mit Sandra noch einmal Bichlers Nachbarn besuchen, Herrn Schramm, den Pferdefreund mit dem Vordach. Wenn sie dann noch Zeit hätten, könnten sie noch mit den Verantwortlichen von Bauernverband und Maschinenring sprechen.
Den Gutsherrn fanden sie in seinem Reiterstüberl, wo er damit beschäftigt war, einen Weißbiercontainer unter der Theke auszuwechseln. Er trug eine blaue Arbeitsjacke und war von der Anstrengung rot im Gesicht, aber das silberfarbene Haar saß akkurat.
Als Charly ihm mitteilte, dass die Polizei nicht mehr von einem Selbstmord ausging, klappte ihm der Unterkiefer herunter.
»Mord? Bei uns da heraußen? Geh weiter!« Dann hatte er sich wieder gefangen und schraubte weiter an dem Biercontainer herum. »Gut, der Bichler war ein Arschloch. Aber ihn deswegen gleich umbringen?«, überlegte er und ließ die geschliffene Ausdrucksweise des Vortages komplett vermissen. »So wichtig waren die Streitereien nicht. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ihn jemand wegen solchen Kleinigkeiten gleich umbringt.«
»Welche Kleinigkeiten?«, fragte Sandra.
»Na, seine Streitereien halt. Hauptsächlich ging es bei ihm um Grundstücke, würde ich sagen. Wenn irgendjemand von ihm Grund kaufen oder pachten wollte, dann kam es immer zu Streitereien. Weil er eben ein sturer Bock war.«
»Wissen S’, wer außer Ihnen noch Grund von ihm kaufen wollt?«, erkundigte sich Charly.
»Außer mir? Ah, verstehe: Jetzt bin ich verdächtig, weil ich seine Wiese haben wollt. Da hab ich gar nicht mehr dran gedacht. Ich brauch eigentlich die Wiese nicht mehr. Aber jetzt wo Sie’s sagen. Da könnt ich mal drüber nachdenken.«
»Und, wissen S’ jetzt noch andere Kaufinteressenten?«
»Genau nicht. Aber der Gewerbeverband wollt was von ihm pachten. Und irgendeine Firma an der Donau wollt was von ihm kaufen. Und die Stadt natürlich, für die neue Kläranlage. Wie g’sagt, was Genaues weiß ich nicht.«
Nach seinem Alibi befragt, benannte der Pferdewirt mindestens zehn Personen, die ihn am Samstag zu verschiedenen
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