Bauernopfer
Zeiten auf seinem Gestüt gesehen hatten. »Mir ist übrigens noch was eingefallen. Ich weiß ja nicht, ob es wichtig ist. Aber ich hab den Bichler am Samstagmittag noch gesehen.«
»Wann genau?«, fragte Charly nach.
»Dürfte ziemlich genau zwölf gewesen sein. Viele unserer Einsteller haben am Wochenende an einem Turnier in Hagau teilgenommen und darum am Samstagvormittag ihre Pferde hergerichtet. Es ist ganz schön zugegangen, und weil wir nicht so viele Parkplätze haben, stellten einige ihre Autos draußen auf dem Weg ab. Da ist es dann ein bisserl eng geworden. Der Bichler hat getobt. Dabei musste er mit seinem Traktor gar nicht vorbeifahren. Er wollte einfach nur schimpfen.«
Zu diesem Zeitpunkt sei Bichler allein gewesen, erfuhren die Kriminaler weiter. Alles andere wäre aufgefallen, denn Bichler sei eigentlich immer allein gewesen. Wen wundert’s?
Als der Biercontainer fertig angezapft und der Thekenunterbau wieder geschlossen war, fragte Sandra ihn, ob er am Samstagnachmittag keinen Schuss gehört habe. Er konnte sich aber nicht erinnern. Es fänden öfter Jagden im angrenzenden Wald statt und bei Ostwind höre man das nahe Kies- und Betonwerk. Also waren Schuss- und Knallgeräusche nichts Ungewöhnliches und fielen nicht weiter auf. Sogar die Pferde hätten sich schon daran gewöhnt und wurden gar nicht mehr unruhig.
»Weißbier?« Schramm hatte eine Probe-Halbe eingeschenkt und hielt Charly ein golden leuchtendes Weißbier mit blütenweißer Schaumkrone entgegen. Schweren Herzens lehnte Charly ab. Nachdem er eine Zusammenfassung der Aussage auf Tonband gebannt hatte, verließen die Ermittler den Pferdehof.
Die Befragungen der Verantwortlichen von Bauernverband und Maschinenring brachten keine neuen Erkenntnisse.
Bichler war zwar Mitglied im Bauernverband gewesen, erfuhren sie von dessen Vorsitzenden, hatte sich aber nicht konstruktiv am Verbandsleben beteiligt. Er habe nur immer kritisierte und geschimpft, wenn ihm Entscheidungen irgendeines Gremiums mitgeteilt wurden. Er habe einfach streiten wollen, auch wenn er dazu politische Themen auf die persönliche Ebene herunterziehen musste. So weit, dass irgendwer ihn aus Rache für Beleidigungen töten wollte, sei die Sache aber natürlich nicht gegangen. Der letzte Besuch des Verbandsvorsitzenden auf Bichlers Hof lag bereits mehrere Wochen zurück.
»Da fällt mir ein, ich weiß noch gar nicht, wie groß dem Bichler seine Landwirtschaft eigentlich ist«, stellte Charly fest. »Können Sie mir sagen, wie viel da dazu gehört?«
»Genau natürlich nicht«, antwortete der Vorstand, »da müssten S’ schon im Grundbuchamt nachfragen. Aber ihm gehörten etliche Quadratmeter Wiesen und Weiden rund um seinen Hof, einige Hektar Äcker und Felder, nicht wenige Tagwerk Wald an der Donau entlang und ein paar Ar Brachland, kreuz und quer verstreut.«
»Hören S’ auf, mir wird schwindlig bei den ganzen verschiedenen Maßen.«
Ohne überlegen zu müssen, half Sandra weiter: »Ein Ar hat 100 Quadratmeter und ein Hektar hat 100 Ar, also 100000 Quadratmeter. Zu einem Tagwerk gehören 25 bis 36 Ar, also im Schnitt etwa 3000 Quadratmeter. Das ist regional unterschiedlich, aber in Bayern sind es 3400 Quadratmeter.«
Mit offenem Mund sah Charly seine Kollegin an und der Bauernverbandsvorsitzende nickte anerkennend.
»Und der Gesamtwert?«
»Puuh – ein Teil liegt in Baugebieten, ein anderer Teil ist Bauerwartungsland, ein paar Grundstücke grenzen ans Industriegebiet – summa summarum über den Daumen würde ich sagen: eine bis eineinhalb Millionen.«
Charly pfiff leise durch die Zähne.
Aus dem Maschinenring war Bichler bereits vor längerer Zeit ausgetreten, nachdem es immer wieder Schwierigkeiten gegeben hatte, weil Bichler sich benachteiligt fühlte oder glaubte, sich nicht an Abmachungen halten zu müssen. Außerdem hatte es ständig Streit um Abgaben und Gebühren gegeben und zudem hatte Bichler grundsätzlich gegen Mehrheitsmeinungen gestimmt und gehandelt. Schließlich hatte man ihm nahegelegt, aus dem Maschinenring auszutreten, was er, Gott sei Dank, auch getan hatte. Seitdem gab es keinen Kontakt mehr mit Bichler. Er hatte für sich allein auf seinem Hof gewerkelt und vermutlich hätte es sein Dickschädel gar nicht zugelassen, beim Maschinenring um Unterstützung zu bitten.
Als sie das Büro des Maschinenringchefs verließen, meldete sich Charlys Handy mit Beethovens Ode an die Freude. Anrufer unbekannt, zeigte das
Weitere Kostenlose Bücher