Bauernopfer
kleine vegetarische Semmel Gott sei Dank schon gegessen, als sie losprustete.
Sämtliche Reinigungsversuche zeigten nicht den gewünschten Erfolg und es half nichts: Bevor sie zur Firma Gessler fuhren, musste Charly nach Hause und seine Hose wechseln.
»Zefix«, war Charlys Kommentar.
»Zefix, Zefix«, grummelte Helmuth, der nach der Mittagspause wieder mit der Datenerfassung in STUPID begann.
Nach dem Umziehen durchfuhren sie von Süden her die Ortsteile Zuchering, Spitalhof und Haunwöhr und erreichten so den Baggerweg, an dem die Firma Gessler lag. Direkt neben dem Firmengelände fanden sie eine kleine Parkfläche. Als Charly sich umsah, leuchtete ihm sofort ein, warum die Firma Gessler ein Grundstück von Bichler kaufen wollte.
Eingepfercht zwischen dem Donau-Stausee, einer Tennisanlage und der Straße hatte die Firma Gessler – wollte sie expandieren – nur eine Möglichkeit: im Südwesten. Dort lagen im Anschluss an den kleinen Parkplatz mehrere Felder hintereinander. Charly vermutete, dass das große Feld, das direkt nach dem Parkplatz begann, dem Bichler-Bauern gehörte.
Das Tor zum Hof der Firma stand offen. Mehrere der dicken Eisenstäbe in dem irgendwann einmal weißen Tor waren geknickt und verrostet. An den seitlichen Betonsäulen wucherte das Unkraut, ebenso auf dem Parkplatz. Der Hof selbst war sehr beengt, weil zahlreiche rostige Gitterboxen, zwei- und dreifach aufeinandergestapelt waren, und Container mit Schrott und Produktionsabfällen rundherum jeden freien Fleck belegten. Ein Lieferant musste mit seinem Lkw schon sehr geübt im Rückwärtsrangieren sein, um quer durch den Hof das einzig zugängliche Hallentor mit einer Laderampe ohne Schaden zu erreichen. Zwischen den Gitterboxen erkannte Charly, dass an den Werkshallen, die den Hof komplett umschlossen, mehrere Scheiben der Oberlichten zerbrochen waren. Ein graues Gebäude mit blanken Metallfensterrahmen, das die Werkshallen um ein Stockwerk überragte, beherbergte augenscheinlich die Verwaltung der Firma. Hier fanden sie auch den überdachten Haupteingang, neben dem ein Metallschild mit der Aufschrift »Gessler – Filtertechnik – Oberflächenbearbeitung« angebracht war.
Vor dem Haupteingang war ein Parkplatz mit fünf Stellplätzen für Kunden und Besucher angelegt. So wie es aussah, nutzten jedoch in Ermangelung der entsprechenden Personen einige Mitarbeiter die praktischen Parkflächen.
Charly lachte. »Genau! So verschlafen schaut die Firma aus.« Er deutete auf einen roten Kleinwagen und zeigte Sandra einen in braun gehaltenen Aufkleber an dessen Heck. »Nicht hupen – Fahrer im Nirwana« stand darauf. Daneben sah man ein großes Yin-und-Yang-Zeichen und darunter stand die Adresse des Ashram-Yoga-Zentrums Ingolstadt e.V.
Es gab keinen Empfang, nur eine Sitzgruppe mit Hydrokultur und einen langen leeren Gang. Von einer jungen Angestellten an einem Kopierer erfuhren sie, dass Herr Gessler im Haus sei. Das Büro des Chefs befinde sich im ersten Stock ganz hinten.
Dort angekommen traten sie durch eine offene Tür und standen im Vorzimmer des Firmenleiters.
»Grüß Gott, Frau …«, Charly blickte auf das Namensschild am Schreibtisch. »… Frau Berthold. Wir würden gerne mit Herrn Gessler sprechen.«
»Ich weiß nicht, ob Herr Gessler momentan Zeit hat. Einen Termin haben Sie nicht? Darf ich fragen, wer Sie sind?«
Typisch Vorzimmerdame, dachte sich Charly. Zuerst einmal abblocken. Jahrelange Übung. Die Sekretärin war bestimmt deutlich über 50, auch wenn sie zu der flotten Sorte gehörte. Sie trug einen grünen Trachtenrock, ein dazu passendes Jäckchen und eine weiße Bluse mit einem roten Schal, der von einer großen Spange zusammengehalten wurde. In den perfekt dauergewellten braunen Haaren fand sich keine einzige graue Strähne. Was Charly aber als Erstes auffiel, war ihr Duft, der ihn an seine Mutter erinnerte. Die Mischung aus Lavendelseife und 4711 war das Aroma seiner Kindheit.
Er wies sich als Kripobeamter aus und stellte Sandra vor. Es sah aus, als wäre die Sekretärin kurz erschrocken, bevor sie fragte, in welcher Angelegenheit die Polizei Herrn Gessler sprechen wolle.
»Im Fall Bichler.«
Wieder sah es aus wie ein kurzer Schreckmoment.
»Kennen … oder kannten Sie den Herrn Bichler?«, fragte Charly die Sekretärin.
»Ihm gehört das große Feld, das gleich an unseren Parkplatz anschließt. Wir haben schon überlegt, ob Sie bei uns auch ermitteln werden.« Dabei war sie aufgestanden und hatte an
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