Bauernsalat
wieder abgereist. »Das ist deine Chance, Vinz«, hatte sie beim Abschied eindringlich zu mir gesagt. »Ich hoffe, dir ist klar, daß du eine solche Gelegenheit nie wieder bekommen wirst. Du willst doch nicht etwa hier versauern, oder? Ich verlaß mich auf dich.«
Natürlich wäre jetzt die Gelegenheit gewesen, die ganze Sache mit Alexa durchzusprechen. Vielleicht war sie ja geradezu begeistert von der Idee, nach Köln zu gehen. Vielleicht suchte sie nur einen Anlaß, um endlich ihre Stelle zu wechseln, und würde diesen nun endlich bekommen. Andererseits mußte ich ja auch selbst erstmal wissen, was ich wollte. Auf jeden Fall sagte ich weiter nichts und mimte weiter den griesgrämigen, nachdenklichen Überlasteten.
»Ich finde es toll, daß du trotz deiner Arbeit mit zum Erntedankfest kommst«, sagte Alexa, als wir schließlich im Auto saßen, und dieser Satz versetzte mir einen weiteren Stich. Mit einem schlechten Gewissen griff ich nach Alexas Hand und lächelte schwach.
»Bald sind Ferien, dann wird sowieso alles besser«, murmelte ich. Und im selben Augenblick fiel mir ein, daß das meine letzten Schulferien wären, wenn ich den Lehrerberuf aufgab.
In Renkhausen angekommen, stellte sich heraus, daß das ganze Dorf schon in heller Aufregung war. Wir kamen gerade noch rechtzeitig, um uns Alexas Vater und Ommma anzuschließen, die sich just auf den Weg zur Hauptstraße des Dorfes machten. Dort sollte der Festzug in wenigen Minuten vorbeimarschieren, wie Ommma uns in leichter Aufregung versicherte. Alexas Mutter war schon längst losgegangen. Sie würde in der Fußgruppe des Frauengesangvereins mitlaufen.
Am Straßenrand herrschte fröhliches Treiben, die Leute standen in Grüppchen zusammen und unterhielten sich ausgelassen. Herr Schnittler wurde sofort von einer Gruppe von Männern begrüßt. Ommma Schnittler nutzte die Gelegenheit, um einer Nachbarin von ihrem Knieleiden zu berichten. Ich hörte nur so lange zu, bis ich sicher war, daß Ommma die Nachbarin über mich aufgeklärt hatte, ohne meine Verdienste um Ommmas und Tante Mias Wohlergehen zu erwähnen. Wahrscheinlich war Ommma die Sache mit dem Likör selbst ein wenig peinlich, und sie schwieg lieber darüber. Alexa nickte hier und da jemandem zu, schien aber nur noch ein Anhängsel, kein fester Bestandteil der Dorfgemeinschaft zu sein. Nach einer Viertelstunde Rumsteherei war endlich Musik zu hören. Kurze Zeit später näherte sich dann der Festzug mit dem Musikverein an der Spitze, der die klassischen Schützenfestohrwürmer spielte. Dahinter kamen Unmengen von Kindern, die sich als verschiedene Obstsorten verkleidet hatten. Die einzelnen Schuljahre gingen jeweils als Zitrone in Gelb mit einem Spitzenhütchen auf dem Kopf, als Erdbeeren, Kirschen oder Pflaumen. Aufgeregt und stolz winkten die Kinder ständig ihren Eltern zu.
Hinter ihnen fuhr der erste Wagen. Ein Trecker zog einen grünen Anhänger, an dem seitlich eine große Aufschrift angebracht war.
Die Milch schmeckt fad und macht nicht munter,
drum kippen wir ein Bierchen runter.
»Das hat mein Papa den Leuten fertiggemacht«, sagte Alexa lapidar. Auf dem Wagen saß eine Gruppe junger Männer und trank Bier. Offensichtlich waren sie schon eine Weile dabei, wenn man von ihrer Gesichtsfarbe Rückschlüsse ziehen durfte. Hinten am Wagen stand auf einem weiteren Schild, um welchen Verein es sich handelte: SV Renkhausen.
»Der Fußballclub«, sagte Alexa.
An der nächsten Gruppe waren wir verwandtschaftlich beteiligt »Hallo!« rief Alexas Mutter fröhlich und winkte mit einer aus Krepppapier gebastelten Sonnenblume. Die Damen des Frauengesangvereins hatten sich als eine Art Blumenmädchen zurechtgemacht Sie trugen bunte Kleider und einen Strohhut mit Blumenschmuck darauf. In der Hand hielten sie Körbe mit weiteren Blumen oder eben die selbst gebastelten Sonnenblumen. Noch eine Dame winkte uns zu.
»Das ist Ursel Sauer«, erklärte Alexa. »Du weißt schon, die mit der ich lange über den Mordfall gesprochen habe, die mir aber verschwiegen hat, daß sie selbst mal Interesse an Franz Schulte-Vielhaber hatte.«
»Wenn das stimmt, was uns die Freundin der Küsterin erzählt hat«, warf ich ein.
»Genau, wenn das stimmt.«
Jetzt kam wieder ein Wagen. Erneut ein Traktor, auf dem sich eine Gruppe von Männern amüsierte. Vorne an der Schaufel stand geschrieben, mit wem man es zu tun hatte: Mit dem Kegelclub »Die strammen Kerle.« Das Schild an den Seitenplanken konnte ich anfangs überhaupt
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