Bauernsalat
hilflos. Sie wünschte, sie wäre nicht hergekommen.
»Es ist doch schon so lange her«, sagte Maria Scholenski stockend.
»Das ist wahr«, sagte Alexa beruhigend. »Nur leider wird jetzt der Neffe des Bauern verdächtigt. Und zwar zu Unrecht« Alexa hoffte, daß die alte Frau nicht schlußfolgerte, daß sie selbst jetzt als mögliche Täterin in Frage kam. Die Vorstellung war einfach zu absurd, als daß irgend jemand das ernsthaft hätte in Betracht ziehen können.
»Der Bauer war ein schlechter Mensch«, sagte Maria Scholenski, nachdem sie sich ein wenig beruhigt hatte.
»Das weiß ich«, antwortete Alexa beruhigend. »Deshalb wird er viele Feinde gehabt haben. Genau deshalb bin ich hierher gekommen. Vielleicht können Sie mir darüber etwas sagen?«
»Es ist doch schon so lange her«, sagte Maria Scholenski wieder sehr weinerlich, und Alexa merkte, daß es keinen Sinn hatte, weiter zu sprechen.
»Schade, aber ich bin Ihnen trotzdem dankbar, daß ich mit Ihnen sprechen durfte«, sagte sie abschließend und lächelte Maria Scholenski freundlich an. »Ich hoffe, ich habe Sie nicht geweckt.«
»Um Gottes willen, ich schlafe immer erst nach Mitternacht ein. Ich nehme das Schlafmittel nicht, das sie mir geben. Ich nehme es einfach nicht.« Maria Scholenski lächelte verschlagen, als wäre das die letzte Freiheit, die sie sich herausnahm. »Meine Nachbarin, die nimmt das Zeug. Die schläft schon immer um acht, aber ich, ich denke mir: Schlafen kann ich später noch genug.«
Maria Scholenski wurde jetzt etwas munterer. Es tat ihr gut, von der Vergangenheit wegzukommen.
»Mittags schlaf ich ein bißchen«, erklärte sie dann. »Ich habe Zucker. Am Tage brauche ich etwas Schlaf.«
Alexa drückte der Frau noch einmal die Hand und stand dann auf. »Ich will Sie nicht länger stören!«, sagte sie vorsichtig. »Und nochmals vielen Dank!«
Maria Scholenski stand ebenfalls auf und kam die paar Schritte mit zur Tür. Sie hatte keine richtige Gehbehinderung, schätzte Alexa, aber sie war altersbedingt, vielleicht auch durch den Diabetes, ziemlich klapprig. Es schien Alexa unmöglich, daß diese Frau in der Lage war, auch nur an einen Mord zu denken. Als sie die Klinke schon in der Hand hatte, fiel ihr noch etwas ein.
»Falls Sie mir noch etwas Wichtiges zu sagen haben, kann ich Ihnen ja meine Telefonnummer dalassen«, sagte sie. »Ich schreibe sie Ihnen eben auf.«
Alexa zog einen Block und einen Kugelschreiber aus ihrer Tasche und sah sich nach einer Unterlage um. Kurzerhand ging sie zu Maria Scholenskis Nachtschränkchen und notierte Namen und Telefonnummer. An dem Foto blieb ihr Blick erst hängen, als sie fertig war. Es hing über dem Nachtschränkchen, ein Portrait eines dunkelhaarigen Mannes, eine ziemlich neue Aufnahme, wie es schien.
Maria Scholenski schien Alexas Gedanken zu erraten. »Mein Sohn«, sagte sie stolz und nahm das Bild von der Wand. »Mein einziger Sohn.«
Alexas Sensoren gingen auf Alarmstufe. Danach hatte sie trotz Vincents Hinweis gar nicht gefragt. Maria Scholenski hatte Kinder, zumindest einen Sohn.
»Er sieht nett aus«, sagte Alexa höflich. Der Mann glich seiner Mutter sehr stark. Er hatte ein ähnlich breites Gesicht und dieselben wachen, dunklen Augen.
»Haben Sie auch Enkelkinder?«, fragte Alexa beiläufig.
»Leider nicht«, seufzte Frau Scholenski-Koslowski. »Habe ich mir doch immer so gewünscht, aber mein Sohn hat nicht geheiratet. Und jetzt ist er wohl zu alt.«
»Wie alt ist denn Ihr Sohn?«
Frau Scholenski schien die Frage überhört zu haben.
»Morgen kommt er«, sagte sie stattdessen. »Immer am Sonntag. Und morgen hat der Josef eine besonders gute Nachricht für mich, hat er gesagt.«
In diesem Moment flog die Tür auf. Alexa blickte verschreckt in das Gesicht einer entgeisterten Pflegerin.
»Ein schönes Foto«, war das einzige, was Alexa einfiel. Im Grunde hatte sie nur einen einzigen Wunsch. Sie wollte jetzt bei Vincent sein, und zwar ganz, ganz schnell.
21
»Wo warst du gestern Abend?« Alexas Frage, als sie mir die Tür öffnete, war ein einziger Vorwurf. Hinzu kam, daß sie blaß und krank aussah, was mein Gewissen nicht gerade erleichterte.
»Noch kurz in der Stadt«, murmelte ich, ohne Alexa anzublicken.
»Hattest du die Korrekturen denn fertig?«
»Nein, ganz und gar nicht. Ich hatte einen Hänger und brauchte etwas Abstand.« Natürlich haßte ich mich für meine Lügen.
»Dann hättest du ja auch mitkommen können«, maulte Alexa.
»Bist du
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