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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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die Fremdarbeiter nach dem Krieg schnell wieder verschwunden. Übrigens sind auf Bauernhöfen selbst auch häufig Fremdarbeiter eingesetzt worden. Ich habe von Fällen gehört, wo Arbeiter sich nach dem Krieg an den Bauern gerächt haben, da diese sie im Krieg behandelt hatten wie den letzten Dreck.«
    »Ich wußte gar nicht, daß Fremdarbeiter überhaupt auf Bauernhöfen eingesetzt waren«, erklärte ich.
    »Nun, die Männer waren im Krieg. Die Versorgung mußte gesichert sein. Was lag da näher, als den Bauern ein paar Arbeitskräfte zur Seite zu stellen?«
    »Natürlich, das leuchtet ein.«
    »In dem Fall, der mir aus einem Zeitungsartikel bekannt ist, hat der Bauer seine russischen Arbeiter heftig geschlagen. Das haben sie ihm nach dem Krieg dann reichlich zurückgezahlt. Das war in Olsberg, wenn ich mich nicht irre. Auf der anderen Seite hat es Fälle gegeben, bei denen Zwangsarbeiter ihre Bauern nach dem Kriege in Schutz genommen haben. In einem Fall, wo zwei Männer vom Bauern sehr anständig behandelt worden sind, haben die beiden bei den Amerikanern ausgesagt, ihr Bauer sei kein Nazi gewesen, auch wenn er als Mitläufer in die Partei eingetreten war.«
    »Die Bauern waren im Krieg wahrscheinlich die einzigen, denen es noch einigermaßen gut ging«, lenkte ich das Gespräch nun in eine etwas andere Richtung.
    »Und nicht nur im Krieg«, antwortete Springer und nickte mit dem Kopf. »Die Zeit danach war ja für die Bevölkerung nicht weniger hart. Da waren die Bauern die einzigen, die noch ein bißchen zu beißen hatten. Nicht zu Unrecht sagt man, daß die Bauern vom Schwarzmarkt am meisten profitiert haben.«
    »Das sind dann die Geschichten mit den Teppichen im Schweinestall?«, fragte ich.
    »Genau, so erzählte man es sich. Viele Bauern haben die Versorgungslage eiskalt ausgenutzt. Eine Goldkette für zwei Eimer Getreide, so habe ich es in Berichten von Zeitzeugen gehört. Es hat nicht wenige gegeben, die sich die Truhen mit Wertgegenständen gefüllt haben. Aus dem ganzen Ruhrgebiet sind die Leute hierhergekommen, um den Bauern etwas abzuhandeln und so ihr Überleben zu sichern.« Herr Springer warf einen Blick aus dem Fenster, bevor er weitersprach. »Allerdings waren bei weitem nicht alle Bauern so schlimm, wie wir es jetzt beschrieben haben. Viele haben Leute bei sich arbeiten lassen und sie dafür auch anständig bezahlt. Es hat viele großherzige Bauern gegeben, ganz sicher.«
    »Zu denen wird Franz Schulte-Vielhaber nicht unbedingt gehört haben«, sagte ich in Gedanken zu mir. Herr Springer sah mich verständnislos an.
    »Ich habe mit mir selbst gesprochen«, entschuldigte ich mich. »Dazu neige ich gelegentlich, bei all diesem Bauernsalat.«
    In diesem Augenblick kam mein Kollege Lars Rethmeier zurück, und ich nahm ihm dankbar eine Tasse Kaffee aus der Hand.
    »Ist sie nicht schön, diese herbstliche Linde?«, sagte ich versonnen, während ich ein letztes Mal nach draußen blickte.
    Lars, der im Zweitfach Bio unterrichtete, warf ebenfalls einen Blick in die Richtung. »Wirklich, eine wunderschöne Linde«, sagte er ironisch, »eine Linde, die in Wirklichkeit eine Buche ist«

25
    Am Nachmittag begleitete ich Alexa zur Beerdigung. Schon nach zwanzig Sekunden war mir klar, daß sie denkbar schlechte Laune hatte. Sie begrüßte mich kaum, hatte sofort etwas an meiner schwarzen Hose auszusetzen und war auch sonst unerträglich. Insgeheim war ich mir sicher, daß sie ihre Tage bekam. Sofort hatte ich einen Vorwand, warum ich ihr nicht von meinem Köln-Angebot erzählen konnte. Dabei hatte ich es mir fest vorgenommen, es nun endlich hinter mich zu bringen, aber bei der Laune schien mir eine sachliche Diskussion unmöglich. Ich selbst war in meiner Entscheidungsfindung nicht wesentlich weitergekommen. Immer wieder kam mir in den Sinn, daß ich eine solche Gelegenheit, nach Köln zu gehen, nicht ungenutzt verstreichen lassen konnte. Wie Angie gesagt hatte, eine zweite Chance würde es nicht geben. Dann wieder machte ich mir klar, was es mir bedeuten würde, das Sauerland jetzt zu verlassen. Ich hatte so vieles lieb gewonnen: meine Arbeit am Elli, die Umgebung und selbst die Menschen, die ich anfangs als verschlossen und stur empfunden hatte und die mir auf den zweiten Blick ganz schön ans Herz gewachsen waren. Schon bald verdrängte ich dann jedes Mal alle Gedanken und vertagte die Entscheidung. Schon allein, weil sich sonst diese gefühlsmäßige Herbststimmung in meinem Inneren festsetzte. Obwohl ich

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