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Bauernsalat

Bauernsalat

Titel: Bauernsalat Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kathrin Heinrichs
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Weile nicht sehen, und dann würde sie ihm irgendwann ausrichten, sie erwarte ein Kind, aber er habe eigentlich gar nichts damit zu tun. Er brauchte da keinerlei Verpflichtungen zu befürchten. Sie würde überhaupt keine Forderungen stellen. Stattdessen wolle sie in Kürze wegziehen, was aber gar nichts mit seiner Person zu tun habe. Aber sie war nicht schwanger, ganz bestimmt nicht. Diese morgendliche Übelkeit war kein Hinweis auf eine Schwangerschaft, sondern darauf, daß sie wahrscheinlich schon morgen ihre Periode bekommen würde. Oder darauf, daß sie vor lauter Panik bereits an Übelkeit litt. Sie war nicht schwanger, das fühlte sie. Und jetzt würde sie ins Badezimmer gehen, sich den einen Streifen ansehen und laut lachen. Auf dem Weg zum Bad wurde das flaue Gefühl im Magen stärker.
    Zehn Sekunden später stürzte sie zurück ins Wohnzimmer und griff nach der Gebrauchsanweisung. Sie mußte sich verlesen haben, der Test mußte falsch sein, ein Billigprodukt, wahrscheinlich hergestellt in Taiwan. Ihre Augen fanden auf die Schnelle den Abschnitt nicht, den sie suchte. Da. Ein Streifen nicht schwanger, zwei Streifen schwanger, zwei Streifen schwanger, zwei Streifen schwanger.

24
    In dieser Woche ertrug ich den Montagmorgen mit einer Mischung aus Melancholie, Zukunftsangst und schlechtem Gewissen. Zwischen meinen Unterrichtsstunden sinnierte ich darüber nach, was ich wirklich wollte, und fand mich nach Unterrichtsschluß am offenen Fenster wieder, wo ich sinnträchtigerweise beobachtete, wie hin und wieder ein Blatt von den nahestehenden Linden heruntersegelte.
    »Vincent, darf ich dir Herrn Springer vorstellen?« Ich fuhr herum und sah mich zwei Männern gegenüber, einer davon Lars Rethmeier, mein Geschichtskollege, der andere ein mir unbekannter Mann in den Siebzigern.
    »Ich habe dir von Herrn Springer erzählt. Er hat das heimatkundliche Buch über die Nazi-Zeit in unserer Region geschrieben. Herr Springer wäre bereit, für unsere Schüler aus seinem Buch zu lesen.«
    Jetzt erinnerte ich mich. Lars hatte mir vor einiger Zeit erzählt, daß er sich bemühen wollte, mit dem Mann Kontakt aufzunehmen.
    Ich begrüßte Herrn Springer herzlich und bekundete meine Freude, ihn kennenlernen zu dürfen.
    »Herr Springer war so nett, hier zur Schule zu kommen, um mit uns abzusprechen, zu welchen Themen er sich bei der Lesung äußert«, erklärte Lars.
    Mein Magen stimmte ein lautes Protestknurren an. Ich hatte den ganzen Tag noch nichts gegessen, gerade meinen Horrormontag hinter mich gebracht und lechzte nach irgendetwas Nahrhaftem, um nicht an Unterzucker zu krepieren. Lars schien meine Gedanken zu erraten.
    »Vielleicht organisiere ich uns erstmal eine Tasse Kaffee und irgendetwas zu essen. Dann können wir uns gleich für eine Viertelstunde zusammensetzen.«
    In der Zwischenzeit blieb ich mit Herrn Springer am Fenster stehen.
    »Machen Sie öfter solche Lesungen?«, fragte ich höflich.
    »Ja, in letzter Zeit immer öfter. Das Interesse an regionaler Geschichte scheint in den Schulen zu wachsen.«
    Dann erzählte Herr Springer, mit welchen Recherchen er die Ergebnisse in seinem Geschichtsbuch zusammengetragen hatte. Er hatte sämtliche Archive der Region durchgearbeitet. Außerdem schien es keinen Zeitzeugen zu geben, den Springer nicht eigenständig befragt hatte. Nicht zuletzt hatte Springer die Nazi-Zeit als Junge erlebt. Genau das schien auch der Ursprung seines Interesses zu sein.
    »Haben Sie sich eigentlich auch mit der Thematik der Zwangsarbeiter beschäftigt?«
    Springers Augen leuchteten. Damit schien ich gerade eines seiner Spezialgebiete erwischt zu haben.
    »Sie glauben ja gar nicht, in wie vielen Unternehmen der Region Fremdarbeiter beschäftigt waren.« Springer zählte eine ganze Reihe auf, von denen ich leider kein einziges kannte. Es schien außerdem verschiedene Lager in der Region gegeben zu haben, wo die Arbeiter untergebracht waren. Der Mann war wirklich eine historische Fundgrube, zudem jemand, der sehr bewegend vortragen konnte. Er würde vor den Schülern einiges bewirken können.
    »Ich habe von einer Zwangsarbeiterin gehört, die nach dem Krieg hiergeblieben ist und auf einem Bauernhof als Magd begonnen hat«, erzählte ich plötzlich. In mir schwelte eine diffuse Hoffnung, daß Springer mir auch zu meinen ganz persönlichen Untersuchungen im Fall Franz Schulte-Vielhaber etwas Nützliches sagen konnte.
    »Das ist ein ungewöhnlicher Fall«, antwortete Springer. »In der Regel sind

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