Bauernsalat
alles, und seien es noch solche Banalitäten, ausgetauscht hatten. Stundenlang hatten sie gemeinsam die Wälder durchstreift oder nebeneinander auf dem Bett gelegen, um ihren Alltag oder das Leben im allgemeinen zu bequatschen. Nie zuvor hatte Alexa mit einem Partner eine solch innigliche Beziehung gehabt, die trotzdem nie langweilig geworden war. Und nun das? Da hatte Vincent eine Frau kennengelernt, mit der er sich heimlich traf? Da hatte er seine Rückkehr nach Köln geplant, ohne sie auch nur im Mindesten einzubeziehen? Alexas Magen zog sich zusammen, so weh tat ihr die Vorstellung. Hatte sie sich wirklich dermaßen täuschen können? Nun, sie selber hatte eine Trennung herbeigeführt, vor ein paar Tagen. In dem Schreck, mit ihrer neuen Situation leben zu müssen, hatte sie sich zunächst ganz auf sich selbst zurückgezogen. Aber im Grunde – im Grunde hatte sie nichts anderes getan als gewartet. Auf Vincent. Der um sie kämpfen würde. Der ihr Geheimnis erraten und sich freuen würde. Sie mußte sich eingestehen, das wirklich gedacht zu haben. Und jetzt saß sie allein da. Es war unfaßbar.
Irgendwann dann war Alexa der Telefonanruf wieder eingefallen. Daß Maria Koslowski sich überhaupt noch mal bei ihr melden würde, damit hatte Alexa im Traum nicht gerechnet. Alexa war sich noch nicht einmal sicher gewesen, daß die alte Dame das mit der Telefonnummer so richtig mitbekommen hatte. Schließlich war sofort danach die Pflegerin hereingekommen und hatte für eine Menge Aufregung gesorgt. Und jetzt hatte sie sich tatsächlich bei ihr gemeldet, Maria Koslowski, die in vielerlei Hinsicht erstaunlich war. Und sie hatte etwas erzählt, was Alexa sehr nachdenklich gemacht hatte. Maria hatte als junge Magd mitbekommen, daß Franz Schulte-Vielhaber nach dem Krieg Geschäfte gemacht hatte. Natürlich tauschte jeder Bauer Lebensmittel ein, das wußte auch Maria. Aber Schulte-Vielhaber, der sei ein anderes Kaliber gewesen. Der sei unerbittlich gewesen und habe für einen Goldring oft nicht mehr als sechs Pfund Kartoffeln herausgerückt. Er habe eben am meisten gehabt, er mit seinem großen Hof. Folglich hatte er auch am meisten abgeben können. Und dabei viel herausgeschlagen. Alexa hatte Marias Bericht andächtig gelauscht, doch nicht so recht gewußt was sie damit anfangen sollte.
»Haben Sie eine bestimmte Erinnerung an jemanden, mit dem sich der Bauer wegen dieser Sache gestritten hat?«
»Es waren so viele da«, war Marias Antwort gewesen. »Und fast alle aus dem Ruhrgebiet. Zu Fuß sind die manchmal gekommen oder mit dem Fahrrad, in den Taschen das, was sie eintauschen wollten. Und wenn sie auf den anderen Höfen nichts bekommen haben, dann sind sie zu Schulte-Vielhaber gekommen, denn der hatte immer was. Aber was der denen gegeben hat! Zwei Würste, ein Säckchen Kartoffeln. Nichts war das, nichts. Und wenn die Leute geschimpft haben, weil’s zu wenig war, dann hat er gegrinst. ’Dann fahrt doch wieder nach Hause’, hat er dann gesagt ’Dann fahrt doch! Ich brauch euch nicht!’ Und am Ende haben sie immer zugestimmt und haben die Gerste genommen, für einen guten Teppich vielleicht oder für ein Schmuckarmband. Was sollten sie auch tun?«
»Schreckliche Zeiten! Gut, daß das vorbei ist. Wie geht’s denn eigentlich Ihrem Sohn?« hatte Alexa dann noch aus Neugier gefragt. »Hat er etwas von sich hören lassen?«
»Das hat er, das hat er«, hatte Maria zu Alexas Erstaunen gesagt, »und das, obwohl heut’ Dienstag ist. Und sonst kommt er doch immer nur sonntags. Bis eben ist er da gewesen. Er sagte, er müsse es mir jetzt schon sagen. Das sei ihm nun endlich klar geworden.«
»Und was hatte er zu sagen, was war die freudige Nachricht?« Alexa schwitzte vor Aufregung.
»Na, was glauben Sie? Er will sich doch noch aufs Heiraten verlegen, mein Junge, und das in seinem Alter. Nett sieht sie ja aus, seine Madame, er hat mir ein Foto gezeigt, nur macht mich eins traurig. Geschieden ist sie und hat auch zwei Kinder von einem anderen Mann. Ob das dann was werden kann?«
Alexa hatte nicht gewußt, was sie sagen sollte. Daß sich hinter Josef Koslowskis Neuigkeit eine solche Geschichte verbarg, machte sie erst einmal sprachlos. Zumindest für zehn Sekunden.
»Das wird schon das richtige sein«, hatte sie dann weise gesagt. »Jetzt freuen Sie sich mal für Ihren Sohn. Und Enkelkinder bekommen Sie jetzt auch noch, ist das denn nicht schön?«
»Ja, meinen Sie wirklich?«
»Ganz bestimmt mein ich das so.«
»Na,
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